Die sog. „Klimaklage“ des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energiekonzern RWE ist ein international viel beachtetes Verfahren, das exemplarisch für die zunehmende juristische Bedeutung von Klimagerechtigkeit vor Gericht steht. Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm in Nordrhein-Westfalen verhandelt wurde, gilt als eine der ersten zivilrechtlichen Klimaklagen weltweit, in der ein privates Unternehmen für konkrete Folgen des Klimawandels haftbar gemacht werden soll.
Hintergrund der Klage
Der Kläger Saúl Luciano Lliuya ist Bauer und Bergführer in der peruanischen Andenstadt Huaraz. Die Stadt liegt unterhalb eines Gletschers, dessen Schmelzwasser in einem hochgelegenen See – dem Palcacocha-See – aufgefangen wird. Durch den Klimawandel hat sich der Gletscher stark zurückgezogen, und das Volumen des Sees hat sich dramatisch vergrößert. Lliuya befürchtet, dass der See überläuft oder durch einen Gletscherabbruch eine Flutwelle auslöst, die sein Haus und große Teile von Huaraz zerstören könnte.
Seine Klage richtete sich gegen den Energiekonzern RWE, der laut wissenschaftlichen Studien zu etwa 0,47 Prozent der globalen industriellen CO₂-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung beigetragen haben soll. Lliuya fordert daher, dass RWE sich mit diesem Anteil an den Kosten für Schutzmaßnahmen beteiligt – konkret an der Finanzierung eines Dammsystems oberhalb von Huaraz.
Der Verlauf des Rechtsstreits
Das Landgericht Essen hatte die Klage 2016 in erster Instanz abgewiesen. Das OLG Hamm jedoch ließ im Berufungsverfahren 2017 erkennen, dass es die Klage für schlüssig hält und trat in die Beweisaufnahme ein. Damit wurde ein rechtlicher Präzedenzfall geschaffen: Zum ersten Mal befasste sich ein deutsches Zivilgericht konkret mit der Frage, ob ein Unternehmen für klimaschädliche Emissionen haftbar gemacht werden kann, auch wenn die Schäden tausende Kilometer entfernt auftreten.
In Folge wurden Sachverständige beauftragt, unter anderem um die kausalen Zusammenhänge zwischen dem CO₂-Ausstoß von RWE und der Bedrohungslage in Huaraz zu prüfen.
Die Entscheidung des OLG Hamm
Das OLG Hamm hat die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2025 (Az. 5 U 15/17) abgewiesen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass im Ergebnis eines eingeholten Gutachtens die Eintrittswahrscheinlichkeit des schädigenden Ereignisses – der einer Überflutung durch den Palcacocha-See – bei lediglich rund 1 % in den nächsten 30 Jahren liege. Diese Wahrscheinlichkeit sei zu gering, um eine rechtlich relevante konkrete Gefahr zu begründen. Eine Haftung nach deutschem Zivilrecht setze voraus, dass eine reale und greifbare Gefährdungslage vorliege – was hier aus Sicht des Gerichts hier nicht gegeben war.
Die Bedeutung des Falles
Auch wenn die erste Klimaklage damit abgewiesen wurde, eröffnet die zu Grunde liegende Wertung des OLG Hamm den Weg für mögliche weitere – und dann erfolgreiche – Klagen. Denn die Klage scheiterte nicht daran, dass ein Schadenersatzanspruch einer Person gegen ein Unternehmen, wegen dessen starken Beitrages zum Klimaschutz per se unzulässig oder unschlüssig wäre, auch wenn Emissionsort und Ort des Schadens weit auseinander lägen Hätte hier beim Kläger ein bereits entstandener Schaden vorgelegen oder wäre zumindest die Eintritttswahrscheinlichkeit eines Schadens als hoch eingestuft worden, wäre die Klage sehr wahrscheinlich erfolgreich gewesen.
(Christian Dümke)
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