Der urbane öffentliche Verkehrsraum ist heiß umkämpft. Manchmal ist es nicht so einfach immer den Überblick zu behalten, wer und was sich da alles so tummelt. Insbesondere, wenn es um neue Formen von Elektromobilität geht: Was gibt es da alles, welche Regeln gelten und wie ändern sich angesichts technischer Innovationen die Konfliktlagen und die Regeln?
Das deutsche Verkehrsrecht unterschiedet grundsätzlich zwischen (nicht-motorisierten) Fahrrädern und Kraftfahrzeugen. Diese Unterscheidung ist inzwischen stark relativiert. denn viele Fahrräder sind inzwischen (hilfs-)motorisiert (was sie nicht in jedem Fall zu Kraftfahrzeugen bzw Krafträdern macht). Und es gibt im Übrigen viele neue Elektrokleinstfahrzeuge. Für die gibt es zum Teil wieder andere Regeln.
Aber von Anfang an: Warum ist es überhaupt wichtig, zwischen Fahrrädern, Kfz und anderen Fahrzeugen zu unterscheiden? Zunächst einmal, weil für sie unterschiedliche Regeln gelten, z.B. über die Benutzungspflicht von Fahrradwegen. Eine Definition des Fahrrads findet sich in § 63a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Dort heißt es im Absatz 1:
„Ein Fahrrad ist ein Fahrzeug mit mindestens zwei Rädern, das ausschließlich durch die Muskelkraft auf ihm befindlicher Personen mit Hilfe von Pedalen oder Handkurbeln angetrieben wird.“
Da stellen sich gleich Anschlussfragen, beispielsweise: Ist ein Einrad also kein Fahrrad? Nein, ein Einrad ist tatsächlich ein „Spielgerät“ gemäß § 24 Abs. 1 StVO und entsprechend § 16 Abs. 2 StVZO, genaugenommen gilt das auch für Kinderräder, die von diesen Normen ebenfalls von den Regeln für den Fahrzeugverkehr ausgenommen sind. Für sie gilt nicht die Benutzungspflicht nach § 2 Abs. 4 StVO, die für Fahrräder immer dann gilt, wenn ein Radweg mit einem entsprechenden Verkehrszeichen angeordnet ist.
Wie ist es mit Pedelecs? Sie gelten nach § 63a Abs. 2 StVZO als Fahrräder, wenn sie lediglich einen „elektromotorischen Hilfsantrieb“ oder ein „Trethilfe“ haben. Die technischen Details sind ebenfalls in dieser Norm zu finden. Wenn sie einen stärkeren Motor haben, der sie insbesondere schneller als 25 km/h fahren lässt, dann handelt es sich um sogenannte S‑Pedelecs, die genau genommen Krafträder bzw Kraftfahrzeuge sind. Mit ihnen muss man daher grundsätzlich auf der Kfz-Fahrbahn fahren. Allerdings gibt es davon inzwischen auch Ausnahmen. Zum Beispiel dürfen in NRW Kommunen Radwege für S‑Pedelecs freigeben. Den Erlass gibt es aufgrund der Anfrage eines Bürgers gemäß Informationsfreiheitsgesetz auf der Plattform „Frag den Staat“.
Als Fahrräder im Sinne der StVO gelten übrigens auch bestimmte E‑Lastenräder, die äußerlich eher Kleintransportern ähneln als Fahrrädern. Es kommt hier auch darauf an, dass ihr Motor der Tretunterstützung (§ 63a Abs. 2 StVZO) dient und sie bestimmte Dimensionen nicht gemäß § 32 Abs. 9 StVZO nicht überschreiten: 1 m Breite und 4 m Länge bei einer maximalen Höhe von 2,50 m.
Und wie ist es mit den E‑Rollern? Das sind ja offensichtlich keine Fahrräder. Dürfen sie also als „Spielgeräte“ auf dem Gehweg fahren? Nein, es sind Elektrokleinstfahrzeuge. Für sie gibt es eine spezielle Verordnung. Darin ist in § 10 u.a. geregelt, dass für sie im Wesentlichen die gleichen Verkehrsflächen wie für den Radverkehr bestimmt sind. Allerdings werden sie in anderer Hinsicht auch wie Kraftfahrzeuge behandelt. Überall dort wo Kraftverkehr verboten ist, sind auch sie verboten.
Insgesamt haben die Fahrräder Gesellschaft bekommen und es ist nur recht, wenn die Radverkehrsinfrastruktur mit dem steigenden Bedarf mitwächst. Zugleich gibt es neue Gefährdungen für Fußgänger, so dass auch auf den Gehwegen mehr Platz geschaffen werden sollte. (Olaf Dilling)
Hallo,
sehr interessanter Aspekt, das mit den Kinderfahrrädern. Da hätte ich direkt mal eine knifflige Zusatzfrage, die wir als Eltern regelmäßig von gestressten Mitbürgern erleben.
Wie ist ein Kinderfahrrad das mit einer FollowMe-Tandemkupplung am Elternfahrrad befestigt wird, zu bewerten? (https://www.followme-cycling.de/)
Wir fahren mit unserer 3‑Jährigen damit sehr vorsichtig und langsam auf dem Fußweg und werden von mürrischen Mitmenschen regelmäßig darauf hingewiesen, doch bitte die daneben liegende Fahrradstraße zu benutzen…„schließlich ist die ja schon extra für uns gebaut worden“.…^^
Viele Grüße aus Kassel
Ralf Rößler
Hallo Herr Rössler, spannende Frage, die so speziell ist, dass es keine vorgefertigte Antwort gibt. Es sollte aber analog zu einem Fahrradanhänger zu behandeln sein, da das Kind zwar mittreten kann, aber ansonsten keinen Einfluss auf die Fahrt hat. Für Sie ist das vielleicht unbefriedigend, da das Kind relativ ungeschützt auf dem Tandemanhänger sitzt, würde es aber so einordnen.
Das wäre eine pragmatische Antwort. Vom erkennbaren Anliegen des Gesetzgebers her wäre das auch wohl eine folgerichtige Auslegung.
Man könnte sich aber auch den Wortlaut von § 2 Abs. 5 Satz 1 StVO genau anschauen. Der regelt das Verhalten von Kindern mit Fahrrädern. Die Regel greift nicht erst beim Fahren oder gar Führen des Fahrzeuges, sondern schon, sobald das Kind mit dem Fahrrad ist, was man deuten könnte als ein Mindestmaß an Verfügungsgewalt, die gegeben ist, sobald das Kind z. B. frei entscheiden kann, ob es mittritt oder nicht. Demnach müsste man dann den Gehweg nutzen. Darin, dass Abs. 1 Verhaltenspflichten für Fahrzeuge, nicht für Fahrzeugführende definiert, könnte man aber ein Indiz sehen, dass sich im Paragrafen kein Beispiel für hohe Sprachsensibilität wiederfinden lässt und „Man weiß doch, was gemeint ist“ Zugang zum Regelungswillen eröffnet.