Pyrolyse“ ist nicht nur ein Spezi­al­pro­gramm neuerer Backöfen zur Selbst­rei­nigung, bei dem sich das Gerät auf etwa 500 Grad erhitzt und alle Rückstände zu Asche verbrannt werden. Das chemische Recycling wird auch Pyrolyse genannt, bzw. ermög­licht die Pyrolyse das chemische Recycling. Die pyroly­ti­schen Zersetzung ist ein System der thermo­che­mi­schen Umwandlung von Kunst­stoff­ab­fällen: Durch die Wärme werden in den großen organisch-chemi­schen Molekülen Bindungen gespalten und neue, kleinere Moleküle entstehen. Dies ist als Hoffnungs­modell gedacht für Kunst­stoff­ab­fall­ströme, bei denen das übliche Recycling nicht weiter­kommt. Das Pyrolyse-Verfahren soll dabei einen wichtigen Schritt in Richtung Kreis­lauf­wirt­schaft bieten. Das Ziel des Anlagen­pro­zesses ist ein Pyrolyse-Öl „bis hin zu Primär­wa­re­qua­lität“, aus dem wieder neue Kunst­stoffe herge­stellt werden können. In Wesseling, südlich von Köln, entsteht nun eine solche Anlage des ameri­ka­nisch-nieder­län­dische Chemie­konzern ­Lyondel­l­basell für ein großmaß­stäb­liches chemi­sches Recycling, in der 50.000 Tonnen Kunst­stoff­ab­fälle pro Jahr wohl ab 2026 recycelt werden sollen (die FAZ von heute berichtet hierzu ausführlich – Paywall). Rund 250 Millionen Euro wurden wohl in das Vorhaben gesteckt. Unter­stützung gab es auch von der EU. Zur Grund­stein­legung im September war sogar Bundes­kanzler Olaf Scholz angereist und zeigte sich voll des Lobes.

Der Green Deal und seine wichtige Säule der Circular Economy zielen darauf ab, den Druck auf natür­liche Ressourcen so weit wie möglich zu reduzieren. Damit einher gehen hohe Anfor­de­rungen an Sammlungs­qua­lität, Quoten und – als Spiegelbild dazu – Vorgaben zu Recyklat­an­teilen. Doch woher das hochwertige Recyklat nehmen? Die Idee der Pyrolyse als weiterer Entsor­gungs- bzw. Recyclingweg ist sicherlich gut. Dem chemi­schen Recycling weht jedoch auch einiges an Gegenwind entgegen. Zum einen kommt es wohl auf den einge­setzten Kunst­stoff an, der auf diese Weise „recycelt“ werden soll. Dann ist die Ökobilanz nicht die beste, denn die Anlage braucht sehr viel Energie. Auch hier ist bei der Nachhal­tigkeit viel Luft nach oben. Zudem entstehen bei der Pyrolyse wohl polyzy­klische aroma­tische Kohlen­was­ser­stoffe und Dioxine, wie Umwelt­ver­bände befürchten. Ein weiteres Praxis­problem, auf das auch die FAZ eingeht, ist die Frage, ob ein dann im Anschluss an das chemische Recycling herge­stellter Kunst­stoff als recycelter Kunst­stoff gilt. Auch in der Anlage in Wesseling wird die Anlage künftig sowohl mit herkömm­lichen fossilen als auch mit den recycelten Stoffen betrieben. Am Ende kommt nach vielen weiteren Verar­bei­tungs­pro­zessen ein „gemischtes“ Kunst­stoff­gra­nulat heraus. Die recht­liche Anerkennung chemi­scher Recycling­ver­fahren einschließlich des Massen­bi­lanz­an­satzes steht noch aus und es bleibt abzuwarten, ob sich die in das Verfahren gesetzten Hoffnungen bewahr­heiten. „Bessere“ Kunst­stoffe und auch weniger Verpa­ckungen – Abfall­ver­meidung als höchste Stufe der Abfall­hier­archie – und kreis­lauf­ori­en­tierte Produkte (Ökodesign!) bleiben jedoch wünschenswert. (Dirk Buchsteiner)