Ganz klar: Auch wir verstehen nicht alle Urteile. Manchmal hätte man sich nur ein anderes Ergebnis gewünscht und findet die Rechtsargumente falsch gewichtet. Bisweilen aber kommt es zu Gerichtsentscheidungen, die mit logischen Mitteln kaum nachzuvollziehen sind. Eine solche Entscheidung hat das Verwaltungsgericht (VG) Dresden am 2.10.2018 (2 K 302/18) gefällt.
In der Entscheidung geht es um eine trocken anmutende, in der Praxis aber oft wichtige Frage. Wie gelangen Schriftsätze ans Gericht?
Klar, wenn man genug Zeit hat, kann man einen Brief schicken. Versendet man per Einschreiben mit Rückschein, hat man auf die Gewähr, dass das Schreiben bei Gericht eingegangen ist. Oft wird es auch bei uns aber knapp. Zum einen häufen sich bisweilen die Schriftsätze. Zum anderen entscheiden sich auch wegen der manchmal langen Entscheidungswege in Unternehmen viele Mandanten erst am letzten Tag der Frist für ein gerichtliches Vorgehen.
In Berlin bestellten wir bisher in einer solchen Situation meistens einen Fahrradkurier. Das liegt daran, dass zumindest das VG Berlin eine Vorabversendung kritisch sieht, weil sie dann beide Dokumente behalten müssen, was die Akte unvorteilhaft aufbläht. Doch außerhalb Berlins blieb auch uns bis September diesen Jahres nichts anderes übrig, als das Fax anzuwerfen. Zwar schmunzelt der Rest der Welt darüber, dass Juristen immer noch Telefaxgeräte unterhalten. Da die Übermittlung per Telefax als die Schriftform wahrend und deswegen fristwahrend akzeptiert wird, wenn das Original zeitnah hinterher geschickt wird, ist das Faxgerät aber bis heute ein in Anwaltskanzleien unentbehrliches Utensil. Allerdings nutzen auch wir, wie heute allgemein üblich, kein klassisches Faxgerät mehr, sondern ein Computer-Fax. Wir drucken also aus, unterschreiben, scannen ein und faxen an die Telefaxnummer des jeweiligen Gerichts. Dass dieses Vorgehen korrekt ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon im Jahr 2000 bestätigt. Seit 2001 ist das auch ausdrücklich geltende Rechtslage.
Damals gab es aber noch keinen (2005 eingefügten, zuletzt dieses Jahr geänderten) § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), parallel existiert im Zivilrecht der § 130a Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 55a Abs. 3 müssen elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein.
Ist ein Computer Fax nicht auch irgendwie elektronisch? Das VG Dresden hat zur allgemeinen Irritation diese Frage nun bejaht. Das Gericht begründet das mit der verwandten Technik.
Würde sich diese Rechtsprechung durchsetzen, wäre ein Telefax nicht mehr ausreichend, um Fristen zu wahren. Denn Faxgeräte bieten keine technische Möglichkeit, elektronisch zu signieren. Nun gibt es viele Argumente, die gegen Faxgeräte sprechen, insbesondere ist die Übertragung nicht so sicher, wie es angesichts der oft ausgesprochen sensiblen Daten wünschenswert wäre. Einem praktischen Bedürfnis folgend, nimmt der Rechtsverkehr das hin. Die Gesetzgebungsgeschichte, aber auch der Sinn und Zweck des § 55a Abs. 3 VwGO sprechen aber gegen eine solche Lesart. An keiner Stelle des Gesetzgebungsprozesses hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er den Faxgeräten den Garaus machen wollte. Auch die Regelung selbst zielt erkennbar auf eine Erweiterung und nicht auf eine Verengung der Möglichkeiten von Rechtsanwälten ab, sich fristwahrend an Gerichte zu wenden.
Nun weiß man nie, wie die Rechtsprechung sich entwickelt. Wir gehen allerdings davon aus, dass die Rechtsprechung eher nicht auf die Linie des VG Dresden einschwenken wird. Darauf vertrauen brauchen wir immerhin nicht: Wir versenden inzwischen grundsätzlich per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA). Natürlich mit qualifizierter elektronischer Signatur.
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