Keine Selbst­ver­wirk­li­chung durch Motorenlärm

Verbote haben in der Politik seit einiger Zeit den Ruch des Illegi­timen bekommen. Vor allem, wenn sie zu Einschrän­kungen von Konsum­wün­schen führen könnten oder den Kraft­fahr­zeug­verkehr betreffen: Dann mindern sie das Brutto­so­zi­al­produkt und gelten als geschäftsschädigend.
Parallel hat sich jedoch in deutschen Innen­städten eine Szene entwi­ckelt, die auch noch die Nerven der liberalsten Zeitge­nossen auf die Folter spannt: Die sogenannten Autoposer. Mit getunten Motoren fahren sie gerne am Freitag- oder Samstag­abend durch die typischen Ausgeh­meilen und lassen ab und zu ihren Auspuff röhren. Die sich aufdrän­genden, wenig origi­nellen Vergleiche zum Tierreich überlassen wir Ihrer Phantasie.
Vielen Menschen sind solche Poser schon tagsüber ein Dorn im Auge. Aber spätestens um Mitter­nacht ist auch für Menschen, die früh morgens aufstehen müssen oder für Eltern kleiner Kinder der Spaß vorbei. Es ist daher durchaus nachvoll­ziehbar, dass in Mannheim beschlossen wurde, streng gegen Poser vorzugehen.
So wurde der Inhaber eines Jaguar allein im Hochsommer 2016 mehr als 14 Mal von der Bürge­rinnen und Bürgern angezeigt, weil er seinen Motor laut aufheulen ließ. Zusätzlich wurde er von der Polizei etliche Male, oft lange nach Mitter­nacht dabei erwischt. Irgendwann war das Maß voll und die Stadt unter­sagte Anfang Herbst 2016 dem Fahrzeug­halter, bei der Benutzung von Fahrzeugen unnötigen Lärm oder vermeidbare Abgas­be­läs­ti­gungen im Stadt­gebiet Mannheim zu verur­sachen. Verbunden wurde dies mit einer empfind­lichen Zwangsgeldandrohung.
Damit hatte die Sache jedoch noch nicht sein Bewenden. Vielmehr zog der Autofahrer gegen die Verfügung vor das Verwal­tungs­ge­richt. Das Gericht prüfte nun auf der Grundlage einer im Landes­recht veran­kerten polizei­recht­lichen General­klausel und § 30 Abs. 1 StVO, ob dem Fahrzeug­halter unnötiger Lärm oder vermeidbare Abgas­be­läs­tigung nachge­wiesen werden konnte. Es entschied, dass dafür keine objektive Messung notwendig sei, sondern dass das Zeugnis der Polizei­be­am­tinnen und ‑beamten ausreichen würde. Im Übrigen sei auch die sehr umfas­sende zeitliche und räumliche Eingrenzung zulässig, wenn es sonst aller Voraus­sicht nach zu einer Verla­gerung kommen würde (Olaf Dilling).
2021-09-16T22:08:59+02:0016. September 2021|Allgemein, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Verkehrs­recht: Behin­derndes Falsch­parken trotz Gehweg-Restbreite

Fußgänger auf Pflaster

Gehwege sind ein sehr zentrales Element der Verkehrs­in­fra­struktur. Schließlich gibt es so gut wie kein Verkehrs­mittel, das nicht mit Gehwegen vernetzt werden muss, und sei es für die berühmten letzten fünf Meter zum Bäcker oder zur Wohnungstür. Noch wichtiger ist dies bei der Nutzung öffent­licher Verkehrs­mittel, bei denen auch zwischen­durch immer wieder Passagen zu Fuß zurück­zu­legen sind. Daher ist es fast nie vorge­schützt, wenn jemand in verkehrs­po­li­ti­schen Diskus­sionen behauptet, als Kraft- oder Bahnfahrer „auch mal“ zu Fuß zu gehen… Ob dadurch auch die Perspektive der Fußgänger verin­ner­licht worden ist, hängt sicher mit der Inten­sität und Relevanz des beiläu­figen Fußgän­gertums zusammen.

Angesichts ihrer Bedeutung zur Vernetzung unter­schied­licher Verkehrs­mittel werden Gehwege im Straßen und Verkehrs­recht eher vernach­lässigt. Jeden­falls findet sich bislang keine Definition des Gehwegs in der StVO. Insbe­sondere ist rechtlich nicht eindeutig definiert, wie breit Gehwege sein müssen, um ihre Funktion zu erfüllen. Dafür gibt es lediglich stadt­pla­ne­rische Standards, die aber streng genommen nicht rechts­ver­bindlich sind. So etwa die Richt­linien für die Anlage von Stadt­straßen (RASt, 2006) und die Empfeh­lungen für Fußgän­ger­ver­kehrs­an­lagen (EFA, 2002) der Forschungs­ge­sell­schaft für Straßen- und Verkehrs­wesen (FGSV). Als Mindest­breite für die Anlage neuer Gehwege ergibt sich daraus ein Richtwert von 2,50 m, was im Bestand, gerade in histo­risch gewach­senen Städten oft nicht einge­halten wird.

Die Recht­spre­chung, wie sollte es anders sein, hat natürlich auch Vorstel­lungen, was ein funkti­ons­fä­higer Gehweg ist. Zum Ausdruck kommt dies vor allem bei Klagen von Kfz-Haltern gegen das Abschleppen ihrer auf Gehwegen geparkten Autos. Denn bei ihren Entschei­dungen darüber müssen die Richter abwägen, ob die Funkti­ons­be­ein­träch­tigung des Gehwegs erheblich ist und den Eingriff in die Rechte des Halters recht­fer­tigen kann. In den dazu ergan­genen Entschei­dungen wird deutlich, dass eine Behin­derung bzw Gefährdung auch dann erheblich sein kann, wenn ein Fußgänger alleine zwar nicht ausweichen müsste, sondern gerade noch zwischen Falsch­parker und Gehweg­be­grenzung durch­gehen kann. Denn es muss immer auch mit Begeg­nungs­verkehr gerechnet werden.

So ging etwa das Verwal­tungs­ge­richt Bremen in einem konkreten Fall bei einer Restgeh­weg­breite von etwa einem Meter von einer poten­ti­ellen Behin­derung aus. Denn zwischen Fahrzeug des Klägers und einer Grund­stücks­ein­friedung war die Begegnung mit Rollstuhl­fahrern und Personen mit Kinder­wagen nicht mehr oder nur einge­schränkt möglich. Daraus resul­tierte eine Funkti­ons­be­ein­träch­tigung des Gehwegs.

Wie auch das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Nordrhein-Westfalen in einem anderen Fall entschied ist es nämlich nicht ausrei­chend, dass die genannten Verkehrs­teil­nehmer „mit Mühe und Not” die Stelle passieren können. Was den Begeg­nungs­verkehr angeht, kommt es nach dem Verwal­tungs­ge­richt Gelsen­kirchen nicht darauf an, ob zu der Zeit Fußgänger mit Kinder­wagen oder Rollstuhl­fahrer die Stelle tatsächlich passieren wollten. Denn bei den Abschlepp­fällen ist das Recht der Gefah­ren­abwehr anzwenden. Die Gefah­ren­abwehr soll den Eintritt einer Behin­derung gerade dann abwehren, bevor sich die damit verbundene Gefahr realisiert.

Eine weitere, nicht ganz so offen­sicht­liche Funkti­ons­be­ein­träch­tigung von Gehwegen kann auch aus dem Zuparken von Straßen­ecken und Verdecken der Sicht­achsen resul­tieren. Insbe­sondere, wenn es sich um große Kfz handelt, sind auf dem Gehweg laufende Kinder dann nicht zu sehen bzw können selbst den Verkehr auf der Kreuzung nicht überblicken. Das gilt im übrigen aber auch für Erwachsene. Daher ist an diesen Stellen nach Recht­spre­chung des Verwal­tungs­ge­richts Köln auch das Abschleppen von Falsch­parkern gerecht­fertigt, wenn sie zu bloßen Sicht­be­hin­de­rungen führen (Olaf Dilling).

2021-08-30T18:47:12+02:0030. August 2021|Verkehr|