Mitge­gangen, mitgefangen

Herrn Valk bleibt auch nichts erspart. Da fleht, bittet und bettelt man als mit allen Wassern der Moderne gewaschener Vertriebs­leiter bei der Geschäfts­füh­rerin Frau Göker monatelang, dass ein Unter­nehmen wie die Stadt­werke Oberal­theim GmbH (SWO) im Kampf um gerade jüngere Kunden sich auch bei facebook präsen­tieren muss. Da gibt man Geld aus für eine Agentur, die Herrn Valk und seine Mitar­bei­terin schult, wie man als Stadtwerk Social Media richtig anpackt. Und dann, drei Wochen vor der geplanten Einrichtung des SWO-Accounts beim kalifor­ni­schen Giganten ist Schluss. Einfach Schluss. Und schuld ist der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Der EuGH sitzt zwar in Luxemburg. Aber Herr Valk schimpft trotzdem ausgiebig auf die „Brüsseler Beamten“, die keine Ahnung haben, wie hart der Kampf um den Kunden in der Fläche gerade im Strom­ver­trieb geworden ist. Einfach so die Betreiber von facebook-Fanpages für eine verant­wort­liche Stelle im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richt­linie 95/46, in Deutschland umgesetzt durch den § 3 Abs. 7 des alten Bundes­da­ten­schutz­ge­setzes (BDSG), zu erklären. Weil facebook auf die Computer derje­nigen, die die Fanpage besuchen, Cookies setze, kleine Programme also, die Infor­ma­tionen sammeln und an facebook weiter­leiten. Diese Infor­ma­tionen nutzt facebook, um perso­na­li­siert zu werben. Aber auch die SWO hätte sie genutzt, indem sie demogra­phische Auswer­tungen der Besucher der Fanpage bekommen hätte.

Als Verwender perso­na­li­sierter Daten hätte die SWO einen Haufen daten­schutz­recht­licher Verpflich­tungen erfüllen müssen. Denn einfach abstellen kann man die Daten­sam­melei durch facebook als Betreiber einer Fanpage bisher leider nicht. Diese Verpflich­tungen wie etwa Auskunft über die Daten­spei­cherung und ‑verwendung ebenso wie die Löschung der Daten hätte Herr Valk aber gar nicht erfüllen können. Schließlich verrät facebook den Betreibern nicht, was für Daten erhoben werden und was mit ihnen geschieht.

Der EuGH wird ja kaum in Oberal­theim schnüffeln.“, hatte Valk noch versucht, Justi­tiarin Berlach auf seine Seite zu ziehen. Diese aber war fest geblieben: Schließlich drohen nicht nur Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen von Daten­schutz­be­hörden wie in dem im Vorla­ge­ver­fahren vorm EuGH entschie­denen Fall. Auch Bußgelder könnten verhängt werden. Und nicht zuletzt ist es ungeklärt, jeden­falls auch nicht sicher auszu­schließen, dass Konkur­renten wegen solchen Daten­schutz­ver­stößen abmahnen könnten. Wartet die Stadt­werke Unter­al­theim GmbH denn nicht etwa schon gierig auf den kleinsten Fehler der SWO?

Am Ende muss Valk seufzend seine schönen Pläne fürs Erste begraben. „Teilen Sie mir bitte umgehend mit, wenn facebook sich bewegt!, schreibt er tief bekümmert an die Social Media Agentur, die ihn beraten hatte.

Jetzt wartet er. Auf ein facebook-Tool. Auf ein Wort des Europäi­schen Gesetz­gebers über die Übertrag­barkeit auf die neue Welt der DSGVO. Auf eine Recht­spre­chung des BVErwG, die dem ganzen die Spitze nimmt. Und er wartet ganz sicher nicht allein.

2018-06-06T09:48:17+02:006. Juni 2018|Allgemein, Strom, Wettbewerbsrecht|

Jameda vorm BGH: Zur Neutra­lität von Bewertungsportalen

Das Arztbe­wer­tungs­portal Jameda sei mit Urteil vom 20.02.2018 vorm Bundes­ge­richtshof (BGH) unter­legen, geht durch die Presse. Die klagende Ärztin hätte sich mit daten­schutz­recht­lichen Argumenten durch­ge­setzt. Schaut man genauer hin, bietet sich jedoch durchaus ein diffe­ren­zier­teres Bild:

Die klagende Ärztin war unzufrieden, weil auf der Seite von Jameda auch ihre Daten auftauchten und Patienten sie bewerten konnten. Ihre Klage richtete sich also auf Unter­lassung. Sie wollte ihre Daten löschen lassen, ebenso die sie betref­fenden Bewer­tungen und auf Jameda gar nicht mehr auftauchen.

Bei diesen Bewer­tungen verhielt Jameda sich neutral. Ärzte konnten sich also keine guten Bewer­tungen kaufen. Aber im zweiten Schritt unter­schied Jameda dann doch zwischen zahlenden und nicht zahlenden Ärzten: Neben den Profilen von Nicht­zahlern wurden Profile zahlender Ärztinnen und Ärzte aus der Umgebung mit Bewer­tungen und der Angabe, wie weit deren Praxen von der angezeigten Praxis entfernt ist. Überspitzt gesagt: Wenn eine Ärztin oder ein Arzt nicht zahlt, wurden poten­tielle Patien­tinnen und Patienten von seiner Praxis wegge­lockt. So empfand es wohl jeden­falls die Klägerin.

Das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Köln hatte im vergan­genen Jahr mit Urteil vom 05.01.2017 im Berufungs­ver­fahren die Klage als unbegründet angesehen und sich dabei auf eine Recht­spre­chung des BGH aus 2014 berufen (VI ZR 358/13). Danach stellt die Speicherung der perso­nen­be­zo­genen Daten der erfassten Ärzte keine unzulässige Daten­spei­cherung dar. Ärzte konnten also nicht die Löschung verlangen, weil der BGH gem.  § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bundes­da­ten­schutz­gesetz (BDSG) kein schutz­wür­diges Interesse bejahte. Für Jameda spreche Art. 5 Abs. 1 Grund­gesetz (GG), Ärzte seien unfairen Bewer­tungen gegenüber nicht schutzlos, sowieso nur die Sozial­sphäre betroffen und ihre Daten ohnehin frei verfügbar.

Diese Recht­spre­chung gibt der BGH nunmehr keineswegs auf. Er modifi­ziert sie lediglich in in Hinblick auf das „Weglocken“ von den Profilen nicht zahlender Ärzte. Dieser Aspekt war im 2014 entschie­denen Fall zwar angesprochen worden, aber erst in der Revision vorm BGH, und damit zu spät, vorge­tragen. Hier hat der BGH nunmehr klarge­stellt, dass Jameda hier gerade nicht neutral Infor­ma­tionen vermittelt. Sondern ihr Werbe­an­gebot betreibt. Werbung zu machen, ist aber nicht genauso schutz­würdig wie die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit. Deswegen tritt bei der Abwägung der Inter­essen der Klägerin als nicht zahlender Ärztin und dem Portal Jameda deren Interesse zurück. Wenn damit aber kein schutz­wür­diges Interesse von Jameda besteht, hat die Ärztin einen Anspruch auf Löschung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG.

In der Praxis wird aber wohl umgekehrt ein Schuh daraus: Ärzte können sich gegen das Bewer­tungs­portal Jameda nach wie vor nur dann wehren, wenn Jameda nicht als neutrale Bewer­tungs­plattform auftritt. Wenn die Patienten von den nicht zahlenden Ärzten also nicht mehr oder weniger wegge­lockt werden als von den zahlenden Medizinern, müssen diese weiter damit leben, dass ihre perso­nen­be­zo­genen Daten und die Bewer­tungen im Netz bleiben.

2018-02-21T16:44:54+01:0021. Februar 2018|Allgemein, Datenschutz|