OLG Düsseldorf lehnt Preis­an­passung unter Berufung auf § 313 BGB ab

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 23.03.2023, 20 U 318/22 über die Frage der Recht­mä­ßigkeit einer Preis­an­passung entschieden, die der Energie­ver­sorger unter Berufung auf § 313 BGB vornehmen wollte.

Die Entscheidung ist insoweit besonders inter­essant, da § 313 BGB kein originär gesetz­liches Preis­an­pas­sungs­recht darstellt sondern eine Vertrags­an­passung ausnahms­weise bei einer schwer­wie­genden Störung der Geschäfts­grundlage erlaubt. Der betroffene Versorger hatte sich vor dem Hinter­grund der Gaskrise auf eine solche Störung berufen und wollte hierauf den Gaspreis gestützt den Gaslie­fer­preis sogar trotz Vorliegens einer vertraglich verein­barten Preis­ga­rantie erhöhen.

Dem erteilte das OLG Düsseldorf inhaltlich eine deutliche Absage. Eine einseitige Preis­er­höhung könne nicht auf § 313 BGB gestützt werden, dies ergebe sich bereits daraus, dass sich der Vorschrift ein einsei­tiges Recht einer Vertrags­partei zur Änderung der Bedin­gungen gar nicht entnehmen ließe Vielmehr müsste der Versorger zunächst eine einver­nehm­liche Lösung mit dem Kunden herbei­zu­führen suchen und – wenn dies scheitert – entweder den Klageweg auf Anpassung beschreiten oder – wenn dies unzumutbar sein sollte -, den Vertrag kündigen.

Darüber hinaus könne sich der Versorger aber deshalb nicht auf die Vorschrift des § 313 BGB berufen, weil der Gesetz­geber die Folgen des Preis­an­stieges im Gas- und infol­ge­dessen auch im Strom­markt umfassend spezi­al­ge­setzlich geregelt hat und weiterhin regelt. Grund­sätzlich sei eine Vertrags­an­passung wegen Störung der Geschäfts­grundlage nicht möglich, wenn der Gesetz­geber das Risiko einer Vertrags­störung erkannt und zur Lösung der Proble­matik eine spezi­ellere gesetz­liche Vorschrift geschaffen hat.Vorliegend habe der Gesetz­geber die Energie­krise durch eine Vielzahl neuer Vorschriften geregelt, insbe­sondere durch das Preis­an­pas­sungs­recht nach § 24 EnSiG. Dieses knüpfe zwar an besondere Voraus­set­zungen (amtliche Feststellung der Mangellage durch die BNetzA), die derzeit nicht vorlägen aller­dings sei hierdurch gleichwohl der Anwen­dungs­be­reich des § 313 BGB verdrängt, da der Gesetz­geber die Frage der Preis­an­passung aufgrund der Gaskrise damit abschließend geregelt habe.

(Christian Dümke)

2023-05-05T11:52:04+02:005. Mai 2023|Gas, Rechtsprechung|

Co2-Aufteilung und Gewerbeimmobilien

Seit diesem Jahr dürfen Vermieter die in den Brenn- und Treib­stoff­kosten enthal­tenen Kosten für CO2 nicht mehr 1:1 auf Mieter überwälzen (hierzu schon hier). In Wohnge­bäuden gilt ein Stufen­modell. Doch auch bei Gewer­be­im­mo­bilien wird geteilt. Laut § 8 Abs. 1 CO2KostAufG sind Verein­ba­rungen bei Nicht­wohn­ge­bäuden unwirksam, nach denen der Mieter mehr als 50% der Kohlen­di­oxid­kosten zu tragen hat. Die Parteien teilen sich also bis 2025 die CO2-Kosten unabhängig von der Gebäu­de­ef­fi­zienz zu gleichen Teilen. Versorgt der Mieter sich selbst mit Wärme und Warmwasser, etwa weil er einen eigenen Erdgas­lie­fer­vertrag hat, so muss der Vermieter ihm 50% der CO2-Kosten erstatten. Berechnet werden die Kohlen­di­oxid­kosten in derselben Weise wie bei Wohngebäuden.

Bei besonders effizi­enten Gebäuden stehen Vermieter sich also schlechter, als bei Wohnraum­miete. Immerhin: § 9 CO2KostAufG, der die Aufteilung auf die Hälfte (dann also auf 25%) begrenzt, wenn der Vermieter wegen öffentlich-recht­licher Vorgaben (wie Denkmal­schutz) entweder das Gebäude oder die Wärme­ver­sorgung nicht wesentlich energe­tisch verbessern kann, und wenn beides nicht möglich ist, von der Aufteilung ganz suspen­diert, gilt auch für Nichtwohngebäude.

Nachtaufnahme, Langzeitbelichtung, Nacht, Abend

In der Praxis stellen sich bei Inanspruch­nahme dieser Ausnah­me­re­ge­lungen Fragen vor allem zum Nachweis. Nach dem Wortlaut muss der Vermieter „nachweisen“, dass Umstände bestehen, die ihn von der Aufteilung ganz oder zur Hälfte befreien. Doch wann ist dieser Nachweis zu führen? In der Heizkos­ten­ab­rechnung, aus der sich die vom Standardfall abwei­chende Aufteilung ergibt? Oder erst, wenn der Mieter bestreitet, dass die Voraus­set­zungen bestehen? Urteile gibt es hierzu bisher nicht. Auch die Frage, wie lange der Vermieter den Nachweis führen und der Mieter dessen Voraus­set­zungen bestreiten kann, werden viel disku­tiert. Ob und wie hier die Einwen­dungs­aus­schluss­fristen des § 556 Abs. 3 S. 3 und S. 5 BGB gelten, ergibt sich aus dem CO2KostAufG leider nicht in wünschens­werter Deutlichkeit. Hier werden wohl erst die Gerichte Klarheit schaffen (Miriam Vollmer).

2023-04-28T23:16:43+02:0028. April 2023|Energiepolitik, Gas, Wärme|

Der Ausstieg aus dem Gasnetz

Das Klima­schutz­gesetz strebt 2045 Klima­neu­tra­lität an. Gashei­zungen soll es dann nicht mehr geben. Doch was bedeutet das für die dann ja nicht mehr benötigten Gasnetze? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein viel disku­tiertes Gutachten der AGORA Energie­wende, das diese gemeinsam mit BET und Rosin Büden­bender vorge­stellt hat. Grundlage dieses Gutachtens sind mehrere Unter­su­chungen, nach der vom 1:1 Umbau der Gasnetze in Wasser­stoff­netze, von der im politi­schen Raum viel gesprochen wird, keine Rede sein könne. Das Gasnetz wird es nach diesem Gutachten nach 2045 so nicht mehr geben. Wasser­stoff und Biomasse werden keine vergleichbare Verteil­in­fra­struktur mehr benötigen. Was bedeutet das nun für die Netzbe­treiber, aber auch ihre Kunden?

Laut Gutachten sinkt der Gasnetz­bedarf bis 2045 um über 90%. Bleibt der Ordnungs­rahmen wie er ist, so würden die NNE sich versech­zehn­fachen. 10 Mrd. EUR Inves­ti­tionen würden wertlos. Für die verblei­benden Kunden wäre das eine Katastrophe: Gleich­zeitig steigen die CO2-Preise, eine Gasheizung würde lange vor 2045 unbezahlbar. Zwar träfe die Netzbe­treiber eine Grund­ver­sor­gungs­pflicht, aber nur, bis die Versorgung unzumutbar würde. Theore­tisch trägt heute nach dem Rechts­rahmen der Netzent­gelt­re­gu­lierung der letzte Kunde alle Netzkosten.

Ozean, Meer, Wellen, Sonnenaufgang, Dämmerung, Seestück

Ein ungeord­netes Ende der Gasnetze würde nicht nur aus diesem Grunde in eine wirtschaft­liche Falle führen. Denn nach 20 Jahren laufen Gasnetz­kon­zes­sionen bekanntlich aus. Wenn absehbar ist, dass der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich sein kann, wird sich absehbar kein Bieter mehr einfinden. Gemeinden müssten das Netz selbst in den Sonnen­un­tergang reiten. Doch wie soll das aussehen?

Vor diesem Hinter­grund empfiehlt das Gutachten der AGORA einen ganz neuen Ordnungs­rahmen, der den Ausstieg aus den Gasnetzen ordnet.  Vorge­schlagen werden finan­zielle Anreize für die Still­legung, die die Netzbe­treiber absichern und den Anstieg der NNE durch Halbierung der Netzkosten dämpfen. Der Abschrei­bungs­dauer soll auf 2045 verkürzt werden. Still­le­gungen sollen zum Regelfall werden, an dem sich der Netzbe­trieb orien­tiert. Die Regulie­rungs­pe­rioden sollen sich auf maximal drei Jahre verkürzen. Soziale Härten sollen durch Zuschüsse abgemildert werden. Gleich­zeitig sollen die Kunden frühzeitig und ehrlich darüber infor­miert werden, dass das Gasnetz abgewi­ckelt werden wird und auch für sie ein Techno­lo­gie­wechsel ansteht (Miriam Vollmer).

 

 

2023-04-21T17:28:10+02:0021. April 2023|Energiepolitik, Gas|