Über Miriam Vollmer

Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie vertritt seit 2006 Stadtwerke und andere Unternehmen rund um die Themen Klima, Umwelt und Energie. Frau Dr. Vollmer ist Lehrbeauftragte der Universität Bielefeld, Vortragsrednerin mit breiter Erfahrung von Fortbildungsveranstaltungen bis zur re:publica und Verfasserin zahlreicher Publikationen.

Scheitert Reiches Kraftwerksstrategie?

Die Idee, neue Gaskraft­werke zu bauen, ist ja nicht neu. Schon die Ampel­re­gierung wollte kurzfristig Förde­rungen für fünf Gigawatt (GW) Gaskraft­werke für die Versor­gungs­si­cherheit sowie weitere sieben GW H2-ready Gaskraft­werke ausschreiben. Dies hatte das Wirtschafts­mi­nis­terium unter Habeck mit der Europäi­schen Kommission verhandelt. Der Plan schei­terte jedoch an der damaligen Opposition: Die CDU war überzeugt, eine bessere Kraft­werks­stra­tegie aufsetzen zu können. Ein KWSG wurde noch konsul­tiert, aber nicht mehr beschlossen.

Schnell wurde deutlich, dass das neue Wirtschafts­mi­nis­terium unter Reiche deutlich mehr Kapazi­täten ausschreiben will. Statt zwölf GW sollen bis 2030 nun 20 GW Gaskraft­werks­leistung gebaut werden. Es soll dabei nicht nur um Versor­gungs­si­cherheit gehen, sondern auch um eine Dämpfung der Preise durch eine Vergrö­ßerung des Angebots. Außerdem will die aktuelle Bundes­re­gierung keine zwingende Umstellung auf Wasser­stoff zur Voraus­setzung der Förderung machen. Darüber hinaus sollen nicht nur die netztech­nisch sinnvollen Standorte im Süden besonders gefördert werden, sondern auch solche im Osten.

Ging die neue Bundes­re­gierung zu Beginn noch recht optimis­tisch davon aus, dass die Ausschrei­bungen noch im laufenden Jahr starten könnten, hakte es schnell in Brüssel. Denn Beihilfen unter­liegen der Kontrolle durch die Europäische Kommission – und diese sieht die Pläne offenbar kritisch. Nun hat die Deutsche Umwelt­hilfe die Kanzlei K & L Gates damit beauf­tragt, zu prüfen, ob die Kommission sich zu Recht querstellt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es wohl schwierig werden dürfte, sich hier gegen die Kommission durchzusetzen.

Eine Beihilfe sei nur geneh­mi­gungs­fähig, wenn die Förderung aufgrund eines Markt­ver­sagens erfor­derlich sei und wenn sie geeignet, techno­lo­gie­offen, angemessen und trans­parent ausge­staltet werde. In dieser Hinsicht zeigen sich die Gutachter skeptisch. Ein natio­nales Markt­ver­sagen liege schon dann nicht vor, wenn andere europäische Mitglied­staaten über ausrei­chende Überka­pa­zi­täten verfügten. Zudem sei der Plan des Wirtschafts­mi­nis­te­riums nicht techno­lo­gie­offen genug. Es sei nämlich nicht belegt, dass die zusätz­liche Leistung ausschließlich durch Gaskraft­werke aufge­bracht werden könne; Großbat­terien, Speicher und andere Formen der Flexi­bi­li­sierung seien nicht ausrei­chend geprüft worden. Die Gutachter sehen entspre­chend keine evident stich­hal­tigen Gründe dafür, dass ausge­rechnet Gas einge­setzt werden müsse. In Hinblick auf das Verfahren sei zudem proble­ma­tisch, dass das Minis­terium offenbar konkrete stand­ort­be­zogene Zusagen formu­liert, statt die Kapazi­täten wettbe­werblich und trans­parent auszu­schreiben. Generell zeigen sich die Gutachter nicht überzeugt, dass durch eine so große Zahl neuer Kraft­werke keine übermä­ßigen negativen Auswir­kungen auf Wettbewerb und Handel in der EU entstehen würden. 

Diese Argumente sind alles andere als an den Haaren herbei­ge­zogen. Die Beihil­fen­prüfung dient dem Schutz des europäi­schen Wettbe­werbs und soll nationale Allein­gänge zur Förderung heimi­scher Unter­nehmen gerade verhindern. Der Aufbau von Erzeu­gungs­ka­pa­zi­täten, der durch großzügige Förderung Anbieter aus Deutsch­lands Nachbar­ländern aus dem Markt drängen könnte, ist daher proble­ma­tisch. Auch die anderen Bedenken erscheinen logisch. Es ist daher unwahr­scheinlich, dass die Kommission die geänderten Pläne der neuen Bundes­re­gierung so noch durch­winkt. Mindestens eine lange Ausein­an­der­setzung und eine erheb­liche Anpassung der Strategie werden wohl erfor­derlich sein, um überhaupt ausschreiben zu können.

Dieses mögliche Scheitern des Plans betrifft viele Akteure. Für die Betreiber geplanter Anlagen ist der verspätete Start Gift. Denn wegen der abseh­baren Minderung des Erdgas­ein­satzes mit dem Ziel null in 2045 ist das Zeitfenster, in dem mit diesen Kraft­werken Gewinne erzielt werden können, kurz und nicht beliebig nach hinten verlän­gerbar, wenn die Kraft­werke nicht – wie ursprünglich von der Ampel vorge­sehen – auf Wasser­stoff umgerüstet werden. Für dieje­nigen, die Batte­rie­speicher errichten, könnte die Inves­tition zumindest teilweise entwertet werden, wenn der Staat durch subven­tio­nierte Anlagen die Markt­pa­ra­meter im Bereich der System­dienst­leis­tungen verschiebt. Und klar ist: Sollte es so kommen, wären die Letzt­ver­braucher die großen Verlierer – die Netzsta­bi­li­täts­maß­nahmen kämen riskant spät, und die Kapazi­täten, die keiner braucht, müssten trotzdem finan­ziert werden (Miriam Vollmer).

2025-10-17T00:52:47+02:0017. Oktober 2025|Energiepolitik|

Rückstellung für den Gasnetzrückbau?

Was wird aus dem 500.000 Kilometer langen deutschen Gasnetz? Bis 2045 muss nach aktueller Rechtslage die netzge­bundene Erdgas­ver­sorgung in Deutschland abgewi­ckelt werden. Es ist absehbar, dass nur ein kleiner Teil des deutschen Gasnetzes dann einer Umnutzung zugeführt werden kann, also etwa für den Transport von Wasser­stoff. Greift der Gesetz­geber nicht ein, muss das Gasnetz mögli­cher­weise zurück­gebaut werden, also ausge­graben und entsorgt.

Es ist absehbar, dass diese Maßnahmen hohe Kosten auslösen. Dies wirft die Frage nach Rückstel­lungen auf. Das Institut der Wirtschafts­prüfer (IDW) hat deswegen im Sommer 2025 darauf hinge­wiesen (Stellung­nahme hier), dass handels­rechtlich Rückstel­lungen bereits zu bilden sind, wenn eine Außen­ver­pflichtung besteht und mit einer Inanspruch­nahme ernsthaft zu rechnen ist. Damit können Rückstel­lungen handels­rechtlich bereits früher und in größerem Umfang erfor­derlich sein, als die Bundes­netz­agentur regula­to­risch anerkennen will. Diese sieht nämlich im Entwurf RAMEN Gas eine regula­to­rische Anerkennung der Rückstel­lungen nur vor, wenn besondere Umstände und konkrete Hinweise darauf vorliegen, dass die Grund­stücks­ei­gen­tümer den Rückbau verlangen.

Damit könnte eine Situation entstehen, in der handels­rechtlich Rückstel­lungen gebildet werden müssen, die aber im Zuge der Netzent­gelt­be­rechnung für den Gastransport nicht berück­sichtigt werden. Die Gasnetz­be­treiber hätten also ein dickes Finan­zie­rungs­problem. In Zeiten ohnehin program­miert sinkender Umsätze könnte dies die Trans­for­mation der Wärme­wirt­schaft weiter belasten.

Für die Unter­nehmen bedeutet das damit eine Unsicherheit, die eigentlich nur der Gesetz­geber beenden kann. Er muss entweder klar regeln, dass ein Rückbau nur in absoluten Ausnah­me­fällen infrage kommt. Oder zumindest für einen Gleichlauf handels­recht­licher und regula­to­ri­scher Rückstel­lungs­ver­pflich­tungen sorgen.

2025-10-10T18:27:02+02:0010. Oktober 2025|Gas|

Wärme­preise scheitern oft am „Markt­element“

In letzter Zeit häufen sich die gericht­lichen Entschei­dungen zu Wärme­preisen und Preis­än­de­rungs­klauseln in Wärme­ver­sor­gungs­ver­trägen. Besonders im Fokus steht dabei das sog. „Markt­element“.

Preis­an­pas­sungs­klauseln in standar­di­sierten Wärme­lie­fe­rungs­ver­trägen mit Letzt-verbrau­chern, die keine Indus­trie­kunden sind, müssen den Anfor­de­rungen des § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV genügen um wirksam zu sein. Hierfür ist es erfor­derlich, dass die Preis­an­pas­sungs­klausel des Wärme­lie­fe­ranten sowohl die Kosten­ent­wicklung bei Erzeugung und Bereit­stellung der Fernwärme durch das Unter­nehmen (Kosten­element) als auch die jewei­ligen Verhält­nisse auf dem Wärme­markt (Markt­element) angemessen berück­sich­tigen. Sie müssen die maßgeb­lichen Berech­nungs­fak­toren dabei vollständig und in allgemein verständ­licher Form ausweisen. Das Kosten­element und das Markt­element sind dabei gleich­rangig (BGH, Urteil vom 19. 07.2017, Az. VIII ZR 268/15).

Der zu berück­sich­ti­gende Wärme­markt erstreckt sich dabei auf andere Energie­träger, als den tatsäch­lichen Brenn­stoff (BGH, 13.07.2011, VIII ZR 339/10). Hierdurch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die Gestaltung der Fernwär­me­preise „nicht losgelöst von den Preis­ver­hält­nissen am Wärme­markt vollziehen kann“ (BR-Drucks. 90/80, S. 56 [zu § 24 Abs. 3 AVBFern­wärmeV aF]).

Und genau daran scheitern derzeit viele Klauseln. Die gewählten Indizes sind zu einseitig und erstrecken sich oft nur auf Erdgas oder wenige ausge­wählte Einsatz­stoffe. Auch Fehlge­wich­tungen kommen vor, bei denen das Markt­element zwar vorhanden ist, aber bei der Preis­bildung nicht den gleichen Einfluss hat, wie die Brennstoffkosten.
Vor diesem Hinter­grund kann jedem Wärme­ver­sorger nur geraten werden, kritisch seine vertrag­lichen Preis­klauseln zu prüfen und ggf. anzupassen.

(Christian Dümke)

2025-10-10T18:52:36+02:0010. Oktober 2025|Allgemein|