Reise­kosten des auswär­tigen Anwalts

Als spezia­li­sierte Rechts­an­wälte haben wir – anders als manche andere Kollegen – oft Verfahren im gesamten Bundes­gebiet. Bei Prozessen stellt sich damit stets die Frage, ob die Reise­kosten ersetzt werden. Denn schließlich ist es teurer, von Charlot­tenburg bis zum OLG Düsseldorf zu fahren, als von Charlot­tenburg bis zum – in Tiergarten gelegenen – VG Berlin.

Wann die unter­legene Partei auch einen auswär­tigen Rechts­anwalt beauf­tragen darf, hat der Gesetz­geber in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO geregelt, wo es heißt:

Die gesetz­lichen Gebühren und Auslagen des Rechts­an­walts der obsie­genden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reise­kosten eines Rechts­an­walts, der nicht in dem Bezirk des Prozess­ge­richts nieder­ge­lassen ist und am Ort des Prozess­ge­richts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweck­ent­spre­chenden Rechts­ver­folgung oder Rechts­ver­tei­digung notwendig war.“

Erfah­rungs­gemäß bejahen Gerichte die Notwen­digkeit der Zuziehung eines auswär­tigen Anwalts eher zurück­haltend. Schließlich gibt es in den meisten Gerichts­be­zirken ja auch spezia­li­sierte Kollegen für fast alle erdenk­lichen Rechts­ge­biete. Faktisch ist die Praxis hier unein­heitlich und hängt natur­gemäß auch von dem konkreten Rechts­streit und dem Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen Anwalt und Mandant ab. Doch auch dann, wenn das Gericht meint, ein ortsan­säs­siger Anwalt hätte es doch auch getan, bleibt der obsie­gende Mandant nicht auf allen Anwalts­kosten sitzen. Hierzu hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) am 09.05.2018 (I ZB 61/17) nunmehr geklärt, dass der Reise­kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch sich auf die Kosten reduziert, die entstanden wären, wenn ein Anwalt aus dem am weitesten vom Gerichtssitz entfernten Ort des Gerichts­be­zirks beauf­tragt worden wäre. Dies war in der Vergan­genheit umstritten. Eine Tabelle, wie groß diese Distanzen sind, bietet zum Download übrigens der Deutsche Anwalts­verein.

Angesichts der Größe der Gerichts­be­zirke sind damit oft auch für weitere Reisen annähernd kosten­de­ckende Erstat­tungen verbunden. Für Unter­nehmen, die oft auf spezia­li­siertere Anwälte angewiesen sind, als die Gerichte anerkennen wollen, ist das erfreulich. Um dies zu illus­trieren: Wenn wir am OLG Düsseldorf prozes­sieren, würden uns fiktiv Reise­kosten aus Emmerich zugestanden, das 103 km entfernt liegt. Bei 0,30 EUR/km (RVG, VV 7003) würde für die einfache Fahr also ein Reise­kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch von 30,90 entstehen. Bei recht­zei­tiger Buchung und Bahn Card ist dafür durchaus eine Bahnfahrt von Berlin nach Köln realistisch.

2018-08-16T23:31:21+02:0016. August 2018|Allgemein|

Klagen gegen beA

Als vor einigen Jahren das erste Mal die Rede vom beson­deren elektro­ni­schen Anwalts­postfach (beA) war, war ich sofort begeistert. Statt im regne­ri­schen, kalten Berlin beispiels­weise im tristen Februar könnte ich in Asien sitzen, meine Akten auf einem Server irgendwo, die Bibliothek im Netz, eine Kokosnuss in der Hand. Künftig würde ich meine Schrift­sätze unter Palmen schreiben und sie sodann mit einem Klick versenden. Ob es wirklich so kommen könnte?

Aber schon der Verzicht auf mehrfache Ausfer­ti­gungen, das lästige Warten auf die Rückmeldung des Messenger und das Bibbern vorm Faxgerät kurz vor zwölf wären unschätzbare Vorteile eines funktio­nie­renden elektro­ni­schen Systems. Ich freue mich also, wenn das beA jemals läuft.

Doch so, wie es von der Bundes­rechts­an­walts­kammer (BRAK) konzi­piert wurde, ist es den Anfor­de­rungen der Anwalt­schaft nicht gewachsen. Denn wir unter­liegen beson­deren Geheim­hal­tungs­pflichten. Diesen können wir aber mit dem beA nicht nachkommen, denn dieses – verpflich­tende – System ist nicht hinrei­chend sicher. Während Ende-zu-Ende-Verschlüs­se­lungen es verhindern, dass irgend­jemand zwischen dem Absender (ich!) und dem Empfänger (das Gericht! Dritte!) die Daten auffängt und ausliest, gibt es beim beA eine Umschlüs­selung bei der BRAK. Diese soll Vertre­tungen ermög­lichen. Aber gleich­zeitig ermög­licht sie es eben auch, dass Unbefugte mit mögli­cher­weise bösen Absichten ins System eindringen.

Aus diesem Grunde hat eine Reihe von Anwäl­tinnen und Anwälten nun unter­stützt von der – jede Unter­stützung verdie­nenden – Gesell­schaft für Freiheits­rechte Klage erhoben. Diese richtet sich auf ein Unter­las­sungs­gebot an die BRAK. Diese soll daran gehindert werden, ein solches unsicheres System einzu­führen. Mit anderen Worten: Die BRAK müsste das beA ganz anders aufsetzen. Das würde vermutlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Mit meiner Kokosnuss unter Palmen wird es dann vermutlich auch im nächsten Winter nichts. Aber ich bin mir sicher: Das wird es wert sein. Schließlich geht es um sensi­belste Daten.

2018-06-19T11:42:46+02:0019. Juni 2018|Allgemein|

Top oder Flop: Die Musterfeststellungsklage

So, nun kommt sie also: Die Muster­fest­stel­lungs­klage (Entwurf der BReg hier, kritische Stimmen vieler Experten hier) hat den Bundestag passiert. Künftig können Verbraucher sich also in ein Klage­re­gister eintragen, wenn ein Verband vor Gericht zieht, um Angele­gen­heiten, die viele gleich­artige Fälle betreffen, klären zu lassen. Nicht jeder Verband darf eine Muster­fest­stel­lungs­klage erheben. Mindestens 350 natür­liche Personen müssen Mitglied sein und der Verband seit vier Jahren aktiv. Die Klage muss sich auf zehn verschiedene Fälle beziehen. Und sie führt nur dann zu einem Gerichts­ver­fahren, wenn mindestens 40 weitere Betroffene sich auf die Bekannt­ma­chung des Gerichts, das die Klage einge­gangen ist, in ein Register eintragen lassen.

Aus Verbrau­cher­sicht ärgerlich: Der Prozess samt Eintragung ins Register allein führt nicht dazu, dass das Unter­nehmen zahlen muss. Wenn also das (hier erstin­stanzlich) angerufene Oberlan­des­ge­richt (OLG) feststellt, dass beispiels­weise eine bestimmte Baureihe eines Autos immer einen bestimmten schuldhaft verur­sachten Fehler aufweist. Oder dass ein Versi­che­rungs­vertrag immer unwirksame AGBs hat. Dann muss das beklagte Unter­nehmen nicht etwa an alle, die ihre Ansprüche angemeldet haben, zahlen. Das Urteil hat ja nur Feststel­lungs­wirkung. Zahlt das beklagte Unter­nehmen an die Verbraucher nicht freiwillig, müssen diese einen zweiten Prozess auf Zahlung führen.

Damit steht der Verbraucher am Ende aber nicht besser als heute. Schon heute ist es ja verbreitete Praxis, dass ein Gericht die Klage eines Verbrau­chers zurück­stellen wird, wenn es weiß, dass andernorts ein Verfahren weiter gediehen ist als die just erhobene Klage. Es ist mehr als unwahr­scheinlich, dass dann, wenn der Bundes­ge­richtshof (BGH) einen gleich gelagerten Sachverhalt entschieden hat, ein Instanz­ge­richt anders entscheidet. Was hat der Verbraucher also davon, dass er statt Klage zu erheben, sich in ein Register einträgt? Bei den Summen, um die es geht, ist das finan­zielle Risiko meist überschaubar. Vielfach geben Unter­nehmen auch Verjäh­rungs­ver­zichts­er­klä­rungen ab, weil auch sie ja Kosten sparen, wenn nicht jeder gleich klagt. Und im Erfolgsfall zahlt ohnehin die Gegen­seite. Und ist der Gang zum Register wirklich so viel einfacher für den Verbraucher? Aufwand hat er in jedem Fall. Tatenlos abwarten reicht nicht.

Überdies ist der Verbraucher regel­mäßig außer­stande zu beurteilen, ob es in seinem Fall wirklich um exakt den Sachverhalt geht, der dem Gericht vorliegt. Schließlich ist ein Bürger nur in gensel­tensten Fällen ein Jurist. Was, wenn der Verbraucher erst nach dem Prozess feststellen muss, dass sein Fall doch etwas anders liegt  oder spezielle Einwen­dungen und Einreden vorliegen? Dann hat er keine Zeit gewonnen, sondern verloren. Lässt er sich aber im Vorfeld beraten, um sicher zu gehen, dass er von der Muster­fest­stel­lungs­klage auch wirklich profi­tiert, hat er die Kosten auch am Hals, die der Gesetz­geber ihm eigentlich ersparen wollte.

Ein Punkt, der nicht für alle Verbraucher relevant ist, aber für manche mögli­cher­weise doch: Wer selbst klagt, hat Einfluss auf die Strategie. Wer den Verband klagen lässt, aber nicht. Wenn sich während des Prozesses heraus­stellt, dass der Verband anders agiert, als man es sich wünscht, ist man machtlos. Überdies: Trägt der Verband bzw. dessen Anwälte eigentlich das Haftungs­risiko, wenn etwas schief geht? Wenn ich ein Verfahren führe und patze, trägt das meine Versi­cherung. Aber wie sieht das bei einer Muster­fest­stel­lungs­klage aus?

Auch die Frage, welcher Verband zum Zug kommt, ist bisher nicht ganz zufrie­den­stellend geklärt. Nur die ersten Klagen (mögli­cher­weise auch mehrere) führen zu Verfahren. Aber nimmt das dem Verbraucher nicht die Wahl zwischen mehreren Ansätzen und unter­schied­lichen Strategien? Und ist die Übernahme der Verant­wortung durch andere, die die Rechte des sogenannten kleinen Mannes und der kleinen Frau dann nach eigenem Gusto durch­fechten nicht ohnehin ein tenden­ziell pater­na­lis­ti­sches, Selbst­be­stimmung und Eigen­ver­ant­wortung ganz klein schrei­bendes Konzept? Wie auch immer, nun heißt es abwarten, wie die Muster­fest­stel­lungs­klage sich in der Praxis bewähren wird. Meine persön­liche Prognose: Viel Lärm um nichts, oder zumindest eher wenig. Wer seine Rechte wahren will, muss nach wie vor meistens selbst kämpfen.

2018-06-18T10:38:16+02:0018. Juni 2018|Allgemein|