Neue von der Rechtsmittelbelehrung

Geben Sie zu, auch Sie haben lange nichts von De-Mail gehört. De-Mail war als groß angelegter spezi­fisch deutscher Versuch gestartet, eine sichere und vertrau­liche Möglichkeit für die elektro­nische Kommu­ni­kation einzu­richten. Das System hat sich aber nicht durch­ge­setzt; ich zumindest kenne niemanden, der per De-Mail kommu­ni­ziert und dies beispiels­weise auf seinem Briefkopf oder in anderer Weise nach außen trägt.

Ein entspre­chendes Schat­ten­dasein führen der § 130a Abs. 4 Nr. 1 ZPO und der § 55a Abs. 4 Nr. 1 VwGO, der als sicheren Weg für die Kommu­ni­kation mit Gerichten auch De-Mail nennt. Dieser gilt seit dem 01.01.2018, wie mir kürzlich ein aufmerk­samer Leser zugerufen hat, und wer weiß: Vielleicht richte mir, wenn es mit einem sicheren beA noch länger dauert, eines Tages noch einen De-Mail-Zugang ein.

Aller­dings scheinen auch die Gerichte auf De-Mail nicht einge­richtet zu sein. Bei Heise liest man, dass die Berliner Gerichte ihre De-Mailadressen geheim hielten. Und auch in Baden-Württemberg führte der durchaus okkulte Weg zu Gericht – in diesem Fall in das verwal­tungs­ge­richt­liche Berufungs­zu­las­sungs­ver­fahren – zu Problemen. Hier nämlich hatte das erstin­stanz­liche Gericht unter anderem in die Rechts­mit­tel­be­lehrung aufgenommen:

Einzel­heiten zum Einrei­chungs­ver­fahren in elektro­ni­scher Form finden sich unter www.justizportal.de im Bereich Service­/Online-Dienste unter dem Stichwort elektro­ni­scher Rechts­verkehr. Die Zusendung einer „schlichten“ E‑Mail genügt nicht.“

Das VGH Mannheim sieht mit Beschluss vom 05.02.2018 – A 11 S 192/18, schon den Verweis auf das Portal kritisch, konnte dies jedoch offen­lassen. Denn an der angege­benen Stelle fehlte jeden­falls der Hinweis auf die Möglichkeit, per De-Mail einzu­reichen. Damit sah der Gerichtshof die Rechts­mit­tel­be­lehrung als unzurei­chend an. Es galt also nicht die Monats­frist für den Antrag auf Berufungs­zu­lassung. Sondern die Jahres­frist, die gem. § 58 Abs. 2 VwGO stets gilt, wenn die Beleh­rungen fehlen oder eben falsch sind.

2018-04-11T09:49:30+02:0011. April 2018|Allgemein|

BGH: Honorar auf Basis von Vergü­tungs­ver­ein­ba­rungen nicht im Prozess erstattungsfähig

Wir sind ja alle Vollju­risten, aber tatsächlich ist der Trend zur Spezia­li­sierung angesichts immer ausdif­fe­ren­zier­terer Regel­werke längst abgeschlossen. Fakt ist: Ich habe noch nie eine Scheidung begleitet und auch noch nie eine Straf­ver­tei­digung übernommen und müsste 16 Jahre nach dem zweiten Staats­examen erst einmal nachschauen, wie so etwas überhaupt genau funktio­niert. Entspre­chend schlagen sich Kollegen, die nie etwas mit Klima, Umwelt oder Energie zu tun haben, in meinen alltäg­lichen Rechts­ge­bieten auch oft eher mäßig. Die Gesetze sind einfach zu komplex.

Wegen der aus diesem Spezia­li­sie­rungs­er­for­dernis resul­tie­renden fakti­schen Verknappung geeig­neter Berater, haben Mandanten es in vielen Rechts­ge­bieten nicht leicht, einen geeig­neten und erfah­renen Anwalt zu finden.  Ein Grund, warum die gesetz­lichen Gebühren nach dem Rechts­an­walts­ver­gü­tungs­gesetz (RVG) in der Praxis in manchen Rechts­ge­bieten inzwi­schen nahezu bedeu­tungslos sind, liegt in dieser Knappheit des Angebots an spezia­li­sierter Rechts­be­ratung. Ein weiterer, praktisch noch weitaus wichti­gerer Grund liegt in vielen Rechts­ge­bieten in der unzurei­chenden Ausge­staltung der gesetz­lichen Gebüh­ren­tat­be­stände.  Auch ein Anwalt ohne aufge­blähten Verwal­tungs­ap­parat kann zu den gesetz­lichen Gebühren manche Rechts­strei­tig­keiten kaum mehr wirtschaftlich abbilden. Faktisch bedeutet das: In vielen Rechts­ge­bieten, auch in meinem, wird in aller Regel eine Vergü­tungs­ver­ein­barung geschlossen.

Die Recht­spre­chung hat anerkannt, dass es sich bei diesen Kosten unter bestimmen Bedin­gungen um einen ersatz­fä­higen Schaden handeln kann (zB BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14). Vor Gericht ist dieser jedoch nicht über die Kosten­fest­setzung liqui­da­ti­ons­fähig. Denn Paragraph 91 Abs. 2, Satz 1, 1. Halbsatz der Zivil­pro­zess­ordnung (ZPO) bestimmt:

Die gesetz­lichen Gebühren und Auslagen des Rechts­an­walts der obsie­genden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten,“

Im Ergebnis bedeutet das: Oft bleibt der Mandant auch dann, wenn er gewinnt, auf manchmal nicht unerheb­lichen Kosten des Prozesses sitzen.

In den letzten Jahren wurde teilweise disku­tiert, ob der Hinweis in Paragraph 3a RVG auf den Umstand, dass „regel­mäßig“ nur die gesetz­lichen Gebühren erstat­tungs­fähig sind, eine Ausnah­me­mög­lichkeit dahin­gehend eröffnet, dass es manchmal eben doch anders ist. Zum Beispiel dann, wenn zu den gesetz­lichen Gebühren eine zweck­ent­spre­chende Rechts­ver­folgung faktisch gar nicht möglich ist. Doch der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat diesen Speku­la­tionen nun ein Ende bereitet. Das höchste deutsche Zivil­ge­richt hat am 24.1.2018 beschlossen, dass der Gesetz­geber mit der Regelung in Paragraph 3a RVG keineswegs die Tür für die Erstat­tungs­fä­higkeit von Honoraren auf Basis von Vergü­tungs­ver­ein­ba­rungen öffnen wollte. Gerade in Spezi­al­ma­terien bedeutet das: Auch in Zukunft wird der Prozess auch dann oft Kosten­nach­teile mit sich bringen, wenn er gewonnen wird. Dies wirft die Frage auf, ob nicht endlich das RVG den Reali­täten einer immer aus diffe­ren­zier­teren Rechts­ordnung und Beratung angepasst werden sollte. Dies hat auch eine nicht zu vernach­läs­si­gende soziale Kompo­nente. Denn natur­gemäß fällt es einem Unter­nehmen deutlich leichter als einem Verbraucher, seine begründete Rechts­po­sition auch dann durch­zu­fechten, wenn es von Anfang an weiß, dass es die Prozess­kosten nicht ganz wieder bekommt.

2018-03-29T18:23:48+02:0029. März 2018|Allgemein|