Ski‑, Rodel- und Radfahr’n gut!
Wäre die Eisenbahn unter der Ägide Scheuer erfunden worden, würde wohl jeder denken, dass dieses Verkehrsmittel für den Winter rein gar nichts tauge. Schließlich gibt es Tage nach – gemessen an Maßstäben der 1960er bis 80er Jahre – eher moderaten Schneefällen noch laufend Zugausfälle und Verspätungen. Aber da die Bahn vor mehr als 50 Jahren sogar mit ihrer Wetterunabhängigkeit warb, wissen auch heute noch viele Menschen, dass die Tauglichkeit von Verkehrsmitteln eher von der Wartung und Pflege ihrer Infrastruktur und von der Personaldecke abhängt, als von den technischen Eigenschaften des Verkehrsmittels selbst.
Ähnlich ist es auch mit dem Fahrrad. An sich lässt sich im Winter wunderbar Fahrrad fahren. Voraussetzung ist allerdings, dass die Fahrradwege von Spiegeleis oder tiefem Schnee befreit werden. Oder dass es möglich ist, auf die Fahrbahn auszuweichen, die nach Schneefällen immer noch prioritär geräumt wird.
Hier stellt sich in diesem Zusammenhang die entscheidende juristische Frage: Ist durch einen Fahrradweg, der durch Eis oder Schnee unbenutzbar geworden ist, die Fahrradwegbenutzungspflicht aufgehoben? Nun, das Rechtssystem verlangt von den Bürgern grundsätzlich nichts Unmögliches. Wie etwa auf einem unbefahrbaren Weg zu fahren. Aber auch abzusteigen und auf dem Fußweg zu schieben, wird nicht verlangt. Schließlich ist der öffentliche Straßenraum für alle Verkehrsteilnehmer da, ohne dass eine bestimmte Gruppe privilegiert werden soll.
Dementsprechend geht auch die Rechtsprechung davon aus, dass Radfahrer bei im Winter unbenutzbaren Radwegen die Fahrbahn benutzen dürfen. So hatte der Bundesgerichtshof einiger Zeit entschieden, dass Radfahrer „sofern zwar nicht der Radweg, wohl aber die (…) Fahrbahn geräumt oder gestreut ist, die Fahrbahn benutzen dürfen“. Unabhängig davon müssen Radwege gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO ohnehin nur dort benutzt werden, wo dies per Verkehrszeichen angeordnet ist. Wenn Fahrradfahrer sich die – oft noch durch Schnee- und Eisreste verengte – Fahrbahn mit den Kraftfahrern teilen müssen, sind ganz besonders die in § 1 der StVO verankerten Grundregeln zu beachten: Gegenseitige Rücksicht und Vermeidung vermeidbarer Behinderungen und Gefährdungen (Olaf Dilling).
Barrierefreiheit – janz weit draußen…
Deutschland verpflichtet sich regelmäßig völkerrechtlich zum Schutz bestimmter Rechtsgüter. Und meist hat das dann auch seinen Grund. Die Folgen die völkerrechliche Verträge haben sind nicht zu unterschätzen. Während ein einfaches Gesetz durch einfache Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat wieder aufgehoben werden kann, binden völkerrechtliche Verträge viel stärker. Denn grundsätzlich ist Vertrag Vertrag, auch wenn es, wie der Brexit zeigt, zumindest theoretisch oft Möglichkeiten gibt, sich wieder von einem internationalen Abkommen zu lösen.
Nun sind völkerrechtliche Verträge auf dem Papier eine schöne Sache. Aber sie müssen auch umgesetzt werden. Und da hapert es nicht nur beim Pariser Abkommen und dem Klimaschutz. Es gibt auch in der UN-Behindertenrechtskonvention, die von Deutschland im Jahr 2008 unterzeichnet wurde, Rechte auf Teilhabe an Mobilität (Art. 20 UN-BRK) und auf Barrierefreiheit (Art. 8 UN-BRK), die bisher auf den Straßen der Republik kaum eingelöst worden sind. Dies zeigt sich etwa daran, dass Gehwegbreiten weder vom Gesetz- und Verordnungsgeber noch von den Gerichten an die Standards für Barrierefreiheit angepasst wurden.
Nun, tatsächlich wurden diese Rechte in eigenen Gesetzen umgesetzt, z.B. dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) oder auch in entsprechenden Gesetzen der Länder. Was allerdings nicht geschehen ist: Die Barrierefreiheit findet sich bisher ebensowenig wie der Klimaschutz in der Straßenverkehrsordnung wieder. Dabei wäre hier der Ansatzpunkt, um durch neue Regeln für Gehwegparken oder die Einrichung von Querungen wirklich freie Bahn für Rollstühle oder auch Kinderwagen zu schaffen. Ohne eine entsprechende Verzahnung bleibt die Barrierefreiheit, wie die Berliner sagen: „janz weit draußen“ (Olaf Dilling).