Außer Spesen nichts gewesen? Was ist neu an der Kraftwerksstrategie?

Man war ja schon mal weiter: Vor über einem Jahr, am 11. September 2024, startete das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium die Konsul­tation über die Kraft­werks­stra­tegie, mit der insgesamt 12,5 GW Gaskraft­werke als Reserve für die Netzsta­bi­lität Strom­netze ausge­schrieben werden sollten. Doch diese Ausschrei­bungen reichten der neuen Bundes­re­gierung nicht. Die CDU/CSU unter­stützte den Entwurf nicht in der „letzten Runde“ vor den Wahlen, in der einige besonders wichtige Energie­ge­setze noch im Konsens verab­schiedet werden sollten. Man werde aber nach den Wahlen schnell liefern, aber die Kraft­werks­stra­tegie der Ampel war der Union zu klein und sie wollte sich nicht auf H2 verengen.

Nach den Wahlen bekräf­tigte die Union, dass deutlich mehr ausge­schrieben werden sollte, die Wirtschafts­mi­nis­terin sprach von bis zu 20 GW. Dies indes erwies sich bei der Europäi­schen Kommission als nicht durch­setzbar, ohne deren Notifi­zierung Deutschland bekanntlich keine Beihilfen zahlen darf. Es begann ein zähes Ringen, das nun im Koali­ti­ons­aus­schuss vom 13. November 2025 offenbar beschlossen wurde: Es sollen 2026 Gaskraft­werke mit insgesamt 8 GW Kapazität ausge­schrieben werden. Weitere 4 GW sollen 2026/2028 folgen. Die aktuelle Bundes­re­gierung konnte also in Brüssel auch nicht mehr Kapazität durch­setzen als die Ampel. Die bisher einzige sichtbare markante Verän­derung besteht in der Dekar­bo­ni­sie­rungs­stra­tegie für die neuen Kraft­werke: Die Ampel wollte sie gleich oder später auf Wasser­stoff umstellen. Die Regierung Merz möchte auch CCS/CCU erlauben, also die Abscheidung und Speicherung von CO2 in fossil betrie­benen Kraft­werken. Doch ob dies realis­tisch ist? Die Inter­na­tionale Energie­agentur (IEA) stuft die Techno­lo­gie­reife von CCS an Gaskraft­werken mit einer 8 (Skala 1–11) ein, was bedeutet, dass die Techno­logie in Demons­tra­ti­ons­an­lagen funktio­niert, aber noch keine großtech­nische Markt­reife erreicht hat. Ob Unter­nehmen unter diesen Voraus­set­zungen von der Option Gebrauch machen, wenn sie ansonsten Geld zurück­zahlen müssen? 

Doch wie auch immer – für 2026 ist damit endlich mit den Ausschrei­bungen zu rechnen. Es ist anzunehmen, wenn auch nicht sicher, dass auch im kommenden Entwurf die Bundes­netz­agentur die Kapazi­täten ausschreiben wird. Unter­nehmen, die Kraft­werke errichten und betreiben wollen, geben dann Gebote ab, indem sie den aus ihrer Sicht erfor­der­lichen Förder­betrag nennen. Die wirtschaftlich günstigsten Gebote, die den Teilnah­me­kri­terien entsprechen, bekommen den Zuschlag für den Abschluss langfris­tiger Diffe­renz­ver­träge (Contracts for Diffe­rence), die den Betreibern die Differenz zwischen Strike Price und Markt­preis ersetzen, gekoppelt mit Einhaltung der Dekar­bo­ni­sie­rungs­pflichten und einer Förderung der Kapazi­täts­be­reit­stellung an sich.

Und nun sind wir mal alle sehr gespannt auf den Referen­tenwurf (Miriam Vollmer).

2025-11-14T13:16:55+01:0014. November 2025|Strom|

Scheitert Reiches Kraftwerksstrategie?

Die Idee, neue Gaskraft­werke zu bauen, ist ja nicht neu. Schon die Ampel­re­gierung wollte kurzfristig Förde­rungen für fünf Gigawatt (GW) Gaskraft­werke für die Versor­gungs­si­cherheit sowie weitere sieben GW H2-ready Gaskraft­werke ausschreiben. Dies hatte das Wirtschafts­mi­nis­terium unter Habeck mit der Europäi­schen Kommission verhandelt. Der Plan schei­terte jedoch an der damaligen Opposition: Die CDU war überzeugt, eine bessere Kraft­werks­stra­tegie aufsetzen zu können. Ein KWSG wurde noch konsul­tiert, aber nicht mehr beschlossen.

Schnell wurde deutlich, dass das neue Wirtschafts­mi­nis­terium unter Reiche deutlich mehr Kapazi­täten ausschreiben will. Statt zwölf GW sollen bis 2030 nun 20 GW Gaskraft­werks­leistung gebaut werden. Es soll dabei nicht nur um Versor­gungs­si­cherheit gehen, sondern auch um eine Dämpfung der Preise durch eine Vergrö­ßerung des Angebots. Außerdem will die aktuelle Bundes­re­gierung keine zwingende Umstellung auf Wasser­stoff zur Voraus­setzung der Förderung machen. Darüber hinaus sollen nicht nur die netztech­nisch sinnvollen Standorte im Süden besonders gefördert werden, sondern auch solche im Osten.

Ging die neue Bundes­re­gierung zu Beginn noch recht optimis­tisch davon aus, dass die Ausschrei­bungen noch im laufenden Jahr starten könnten, hakte es schnell in Brüssel. Denn Beihilfen unter­liegen der Kontrolle durch die Europäische Kommission – und diese sieht die Pläne offenbar kritisch. Nun hat die Deutsche Umwelt­hilfe die Kanzlei K & L Gates damit beauf­tragt, zu prüfen, ob die Kommission sich zu Recht querstellt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es wohl schwierig werden dürfte, sich hier gegen die Kommission durchzusetzen.

Eine Beihilfe sei nur geneh­mi­gungs­fähig, wenn die Förderung aufgrund eines Markt­ver­sagens erfor­derlich sei und wenn sie geeignet, techno­lo­gie­offen, angemessen und trans­parent ausge­staltet werde. In dieser Hinsicht zeigen sich die Gutachter skeptisch. Ein natio­nales Markt­ver­sagen liege schon dann nicht vor, wenn andere europäische Mitglied­staaten über ausrei­chende Überka­pa­zi­täten verfügten. Zudem sei der Plan des Wirtschafts­mi­nis­te­riums nicht techno­lo­gie­offen genug. Es sei nämlich nicht belegt, dass die zusätz­liche Leistung ausschließlich durch Gaskraft­werke aufge­bracht werden könne; Großbat­terien, Speicher und andere Formen der Flexi­bi­li­sierung seien nicht ausrei­chend geprüft worden. Die Gutachter sehen entspre­chend keine evident stich­hal­tigen Gründe dafür, dass ausge­rechnet Gas einge­setzt werden müsse. In Hinblick auf das Verfahren sei zudem proble­ma­tisch, dass das Minis­terium offenbar konkrete stand­ort­be­zogene Zusagen formu­liert, statt die Kapazi­täten wettbe­werblich und trans­parent auszu­schreiben. Generell zeigen sich die Gutachter nicht überzeugt, dass durch eine so große Zahl neuer Kraft­werke keine übermä­ßigen negativen Auswir­kungen auf Wettbewerb und Handel in der EU entstehen würden. 

Diese Argumente sind alles andere als an den Haaren herbei­ge­zogen. Die Beihil­fen­prüfung dient dem Schutz des europäi­schen Wettbe­werbs und soll nationale Allein­gänge zur Förderung heimi­scher Unter­nehmen gerade verhindern. Der Aufbau von Erzeu­gungs­ka­pa­zi­täten, der durch großzügige Förderung Anbieter aus Deutsch­lands Nachbar­ländern aus dem Markt drängen könnte, ist daher proble­ma­tisch. Auch die anderen Bedenken erscheinen logisch. Es ist daher unwahr­scheinlich, dass die Kommission die geänderten Pläne der neuen Bundes­re­gierung so noch durch­winkt. Mindestens eine lange Ausein­an­der­setzung und eine erheb­liche Anpassung der Strategie werden wohl erfor­derlich sein, um überhaupt ausschreiben zu können.

Dieses mögliche Scheitern des Plans betrifft viele Akteure. Für die Betreiber geplanter Anlagen ist der verspätete Start Gift. Denn wegen der abseh­baren Minderung des Erdgas­ein­satzes mit dem Ziel null in 2045 ist das Zeitfenster, in dem mit diesen Kraft­werken Gewinne erzielt werden können, kurz und nicht beliebig nach hinten verlän­gerbar, wenn die Kraft­werke nicht – wie ursprünglich von der Ampel vorge­sehen – auf Wasser­stoff umgerüstet werden. Für dieje­nigen, die Batte­rie­speicher errichten, könnte die Inves­tition zumindest teilweise entwertet werden, wenn der Staat durch subven­tio­nierte Anlagen die Markt­pa­ra­meter im Bereich der System­dienst­leis­tungen verschiebt. Und klar ist: Sollte es so kommen, wären die Letzt­ver­braucher die großen Verlierer – die Netzsta­bi­li­täts­maß­nahmen kämen riskant spät, und die Kapazi­täten, die keiner braucht, müssten trotzdem finan­ziert werden (Miriam Vollmer).

2025-10-17T00:52:47+02:0017. Oktober 2025|Energiepolitik|