BayVGH: Haltverbote zugunsten Bergwacht und Feuerwehr

Wer in den Bergen wohnt oder dort als Flach­länder schon mal Kurzurlaub gemacht hat, kennt das Problem: Überall da, wo es besonders schön und „einsam“ ist, drängen sich am Wochenende unzählige Urlauber, die überwiegend mit Kraft­fahr­zeugen anreisen und das letzte Stück auf der engen kurvigen Bergstraße bis zur Talstation der Bergbahn fahren wollen. Oft fehlt es dort dann an ebenen Flächen für Parkplätze, so dass sie die ohnehin knapp bemessene Fahrbahn dann zu allem Überfluss noch zuparken. Wenn dann noch viele Menschen ohne angemessene Ausrüstung und ohne Erfahrung, aber großen Ambitionen auf schwie­rigem Terrain unterwegs sind, hat die Bergwacht ein Problem. Denn im Unglücksfall kann sie nicht schnell genug zu Einsatzort kommen.

Die Gemeinde Marquart­stein in den Chiem­gauer Alpen hatte deshalb bereits 2015 auf der Zufahrt­straße zur Hochplat­tenbahn ein – zunächst zeitlich unbegrenztes – einge­schränktes Haltverbot erlassen. Dies war 2016 auf eine Klage einer Anwoh­nerin, die wohnortnah parken wollte, vom VG München aufge­hoben worden. Die Begründung des Gerichts war damals, dass eine objektive Gefah­renlage weder vorge­tragen noch augen­scheinlich sei.

Beliebtes Ausflugsziel Hochplatte bei Marquartstein

Von 2015 Michael 2015 – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=107241860

Nachdem sich während des ersten Pandemie-Sommers im August 2020 die eingangs veran­schau­lichte Proble­matik noch einmal verschärft hatte, wollte die Gemeinde dem erneut mit einem Haltverbot begegnen. Diesmal aller­dings beschränkt von 7 bis 18 Uhr. Außerdem bemühte sich die Behörde diesmal um eine detail­lier­terer Begründung aus Gründen der Rettungs­si­cherheit und der Zufahrt­mög­lichkeit der Bergwacht. Wieder klagte die Anwoh­nerin und bekam vor dem VG München recht: Diesmal wegen Bestands­kraft der vorhe­rigen Klage.

Die Gemeinde ging in Berufung und bekam Ende August 2025 vor dem Bayri­schen Verwal­tungs­ge­richtshof recht (Bayeri­scher VGH, Urteil vom 05.08.2025 – 11 B 24.489). Die Bestands­kraft stehe hier nicht im Weg. Sie würde sich nur auf die zuvor beurteilte Anordnung beziehen.

Entscheidend ist dabei entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht,  dass sie in wesent­lichen Punkten geändert sei, da sie zeitlich einge­schränkt und räumlich ausge­dehnter angeordnet wurde. Der Gerichtshof geht jedoch auf die Beson­derheit der straßen­ver­kehrs­recht­liche Anordnung ein. Hier habe die Behörde nach ständiger Recht­spre­chung eine Pflicht zur Darlegung und Dokumen­tation der Gefah­renlage als tatbe­stand­liche Voraus­setzung der Anordnung. Diese Darlegung und Dokumen­tation definiert in Abwei­chung vom Grundsatz der Amtser­mittlung auch das Prüfpro­gramm des Gerichts. Dementspre­chend hatte das Verwal­tungs­ge­richts sich auch auf die Prüfung der vorge­tra­genen Gründe der Behörde beschränkt.

Da es um Gefah­ren­abwehr gehe und um Verfas­sungs­güter des Lebens und der körper­lichen Unver­sehrtheit müsse die Behörde Gelegenheit haben, bei der Darlegung und Dokumen­tation nachzu­bessern und gegebe­nen­falls eine neue an die ermit­telte Gefah­renlage angepasste Anordnung erlassen können.

In der Sache reiche zur Beschränkung des ruhenden Verkehrs nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO (im Umkehr­schluss) eine einfache Gefah­renlage. Diese sei bereits bei einer konkreten Gefahr gegeben, d.h. bei hinrei­chender Wahrschein­lichkeit eines schädi­genden Ereig­nisses. Bereits einge­tretene Unfälle oder der jeder­zeitige Schadens­ein­tritt seien nicht erfor­derlich. Nach Darlegung der Behörde stehe

ernsthaft zu befürchten, dass ohne das angegriffene Haltverbot an Tagen mit hohem Verkehr, insbe­sondere Ausflugs­verkehr von und zum Parkplatz der Hochplat­tenbahn, Einsatz­fahr­zeuge von Feuerwehr, Bergwacht sowie Rettungs­dienst durch Parken in dem verfah­rens­ge­gen­ständ­lichen Bereich behindert werden und ihren Einsatzort nicht oder nicht in der gebotenen Zeit erreichen“.

Mit der Behin­derung der Rettungs­kräfte sei zugleich eine Gefahr für die Flüssigkeit und Leich­tigkeit und damit auch Sicherheit und Ordnung des Verkehrs verbunden. Im Übrigen reiche es nicht, die Regelung auf die Wochen­enden und Jahres­zeiten mit erhöhtem Besucher­auf­kommen zu beschränken. Denn die Übersicht­lichkeit der getrof­fenen Regelung und die Klarheit des Verbots würde unter einer so klein­tei­ligen Anordnung leiden.

Insgesamt eine spannende Entscheidung, die aufschluss­reich sowohl für die Grund­lagen des Verkehrs­ver­wal­tungs­rechts als auch für die spezi­fische Frage des Konflikts von Rettungs­si­cherheit mit anderen Flächen­nut­zungen, insb. dem ruhenden Verkehr, ist. (Olaf Dilling)