Laufzeit­klauseln im Fernwärmeliefervertrag

Apropos Laufzeit. 32 Abs. 1 Satz 1 AVBFern­wärmeV bestimmt, dass die Laufzeit von Fernwär­me­ver­sor­gungs­ver­trägen höchstens zehn Jahre betragen darf. In der Branche ist es weit verbreitet, daraus abzuleiten, dass die Zehnjah­res­frist ab Aufnahme der Versorgung zu laufen beginnt. Gesichert ist diese Annahme jedoch keineswegs. Nach der Recht­spre­chung des BGH – aller­dings allgemein und nicht speziell zu Fernwär­me­ver­trägen – beginnt die Laufzeit eines Vertrages grund­sätzlich mit dessen Abschluss und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt der Leistungs­er­bringung (BGH NJW 2013, 926, Rn. 22).

Für Fernwär­me­lie­fer­ver­träge ergibt sich hieraus ein Risiko: Beginnt der Vertrag mit Unter­zeichnung zu laufen, soll die Zehnjah­res­frist aber erst ab Aufnahme der Wärme­lie­ferung gelten, könnte ein besonders kriti­sches Gericht einen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 AVBFern­wärmeV annehmen. Denn zwischen der Unter­zeichnung und dem avisierten Ende liegt mögli­cher­weise deutlich mehr Zeit als die besagten zehn Jahre. Die Folge wäre konse­quent zu Ende gedacht die Unwirk­samkeit der Laufzeit­klausel. In einem solchen Fall könnte der Kunde unter Umständen ohne die Beschrän­kungen des § 3 AVBFern­wärmeV kündigen, also insbe­sondere ohne den Nachweis, erneu­erbare Energien einzusetzen.

Wie lässt sich diesem Risiko begegnen? Viele vorsichtige Versorger sehen im Fernwär­me­lie­fer­vertrag ausdrücklich vor, dass die Vertrags­laufzeit erst mit Aufnahme der Versorgung beginnt. Die Zehnjah­res­frist ist damit gesichert. Aller­dings besteht vor Aufnahme der Versorgung dann keine vertrag­liche Bindung, was insbe­sondere proble­ma­tisch sein kann, wenn – wie bei vielen Nahwär­me­pro­jekten, die ja ebenfalls der AVBFern­wärmeV unter­fallen – bereits vor Versor­gungs­beginn gebaut wird oder Baukos­ten­zu­schüsse erhoben werden. In solchen Konstel­la­tionen führt wohl kein Weg daran vorbei, die Zehnjah­res­frist ab Unter­zeichnung laufen zu lassen, auch wenn der tatsäch­liche Versor­gungs­zeitraum dadurch kürzer ausfällt. In jedem Fall sollte die Laufzeit­klausel nicht aus branchen­üb­lichen Versor­gungs­ab­läufen „übernommen“, sondern auf das konkrete Vertrags­ver­hältnis zugeschneidert werden (Miriam Vollmer).

2025-10-31T18:57:46+01:0031. Oktober 2025|Wärme|

Mehr Fragen als Antworten: AG Brühl v. 14.12.2023 zu Fernwärmesatzungen

Laut § 3 Abs. 2 AVBFern­wärmeV dürfen Fernwär­me­kunden, die auf Erneu­erbare Energien umsteigen, die Anschluss­leistung ihres Fernwär­me­lie­fer­ver­trags verringern und sogar ganz kündigen. Aber gilt das auch, wenn es vor Ort eine Fernwär­me­satzung gibt, die eigene Fernwär­me­ver­sor­gungs­an­lagen verbietet? Damit hat sich das AG Brühl mit Urt. v. 14.12.2023 − 27 C 59/23 – beschäftigt. Kläger war ein Kunde, der auf Wärme­pumpe und hauseigene PV umsteigen wollte.

Das AG Brühl kam in der ausge­sprochen knappen Entscheidung zu einem klaren Ergebnis: § 3 Abs. 2 AVBFern­wärmeV gehe vor. Das stützt das Gericht auf § 35 Abs. 1 AVBFern­wärmeV, dessen erster Halbsatz lautet:

Rechts­vor­schriften, die das Versor­gungs­ver­hältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind den Bestim­mungen dieser Verordnung entspre­chend zu gestalten;“

Das Gericht leitet daraus ab, dass die Fernwär­me­satzung mangels entspre­chender Befrei­ungs­mög­lichkeit insgesamt nichtig sei. Der Kläger darf seine Wärme­pumpe nutzen.

Bezogen auf diesen konkreten Fall ist dieses Ergebnis auch durchaus überzeugend. Bei emissi­ons­freien Heizungs­tech­no­logien sind Fernwär­me­sat­zungen ja generell schon nicht geeignet, den Satzungs­zweck zu erreichen. Doch abgelöst vom Einzelfall stellen sich Fragen. Kann eine öffentlich-recht­liche Satzung unwirksam sein, weil sie mit einer normhier­ar­chisch nicht überge­ord­neten Rechts­ver­ordnung nicht in Einklang steht? Wie sieht es mit der Nutzung von Biomasse und Biomethan aus? Das AG Brühl hat hier eine einzel­fall­be­zogen sinnvolle, aber dogma­tisch nur sehr bedingt überzeu­gende Entscheidung getroffen, die hoffen lässt, dass sich weitere Gerichte mit diesem Spannungsfeld beschäftigen. 

Was bedeutet die aktuelle Unsicherheit nun für die Praxis? Kunden wenden sich mit dem Nachweis des Heizungs­pro­jekts weiterhin an die Gemeinde, um einen Dispens einzu­holen, und parallel an ihren Versorger. Dieser sollte gerade ältere Satzungen einem Stresstest unter­ziehen, sie gegebe­nen­falls anpassen und unter Umständen dort, wo es möglich ist, über Grund­dienst­bar­keiten absichern. In jedem Fall sollte der Verord­nungs­geber der AVBFern­wärmeV die Gelegenheit der anste­henden Neure­gelung nutzen, um Rechts­si­cherheit für die Wärme­wende zu schaffen (Miriam Vollmer).

2025-05-30T23:22:46+02:0030. Mai 2025|Wärme|

Wer soll das alles lesen – die Veröf­fent­li­chungs­pflichten der neuen AVBFernwärmeV

Bürokra­tie­abbau ist ja angeblich gerade sehr populär. Aber wenn es nach dem Minis­terium geht, gilt das nicht für Fernwär­me­ver­sorger: Im aktuellen Entwurf einer neuen AVBFern­wärmeV verviel­fachen sich die in § 1a AVBFern­wärmeV angeord­neten Veröffentlichungspflichten.

Derzeit beschränkt sich § 1a AVBFern­wärmeV auf wenige Punkte, insbe­sondere die allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen und die Netzver­luste. Beide Angaben gehören auch künftig ins Internet. Neben diesen Angaben muss der Versorger in Zukunft aber auch noch den Energie­trä­germix, die Eigen­erzeugung und den Fremd­bezug und deren Kosten­an­teile publi­zieren. Wie schon beim Strom soll nun auch hier auf die THG-Emissionen einge­gangen werden, zusätzlich auf den Primär­ener­gie­faktor. Der Verord­nungs­geber will weiter ein Berech­nungs­bei­spiel für ein normiertes Einfa­mi­li­enhaus und ein Mehrfa­mi­li­enhaus sehen.

Auch bisher gehörten die Preis­blätter bereits zu den Pflicht­an­gaben, die zu veröf­fent­lichen waren. Sofern diese eine Preis­gleit­klausel enthalten, ist hier künftig zusätzlich eine Muster­be­rechnung zu veröf­fent­lichen. Außerdem muss der Versorger ein Berech­nungs­in­strument, also ein digitales Tool, online stellen, mit dem der Besucher der Webseite inter­aktiv die Preis­ent­wicklung nachvoll­ziehen kann. Die amtliche Begründung spricht beispielhaft von einem Excel-Sheet.

In Hinblick auf die Netzver­luste gehören weitere Details an die Öffent­lichkeit, effizi­enz­be­zogen sind zudem Effizi­enz­maß­nahmen des Versorgers zu publi­zieren. Ganz neu sind Pflichten über Maßnahmen zur Ausfallprävention.

Ob die Umsetzung dieser neuen Verpflich­tungen wirklich mehr Trans­parenz für den Verbraucher schafft, ist dabei zweifelhaft. Nur die wenigsten Verbraucher dürften ein so inten­sives Interesse an der Struktur ihrer Fernwärme haben, dass sie sich in die zu veröf­fent­li­chenden Infor­ma­tionen vertiefen. Doch auch wenn es keiner lesen sollte: Versorger sollten die Verpflich­tungen, wenn sie so in Kraft gesetzt werden, ernst nehmen, um Abmah­nungen zu vermeiden (Miriam Vollmer).

2024-09-14T00:28:59+02:0014. September 2024|Wärme|