Über Miriam Vollmer

Dr. Miriam Vollmer ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie vertritt seit 2006 Stadtwerke und andere Unternehmen rund um die Themen Klima, Umwelt und Energie. Frau Dr. Vollmer ist Lehrbeauftragte der Universität Bielefeld, Vortragsrednerin mit breiter Erfahrung von Fortbildungsveranstaltungen bis zur re:publica und Verfasserin zahlreicher Publikationen.

Außer Spesen nichts gewesen? Was ist neu an der Kraftwerksstrategie?

Man war ja schon mal weiter: Vor über einem Jahr, am 11. September 2024, startete das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terium die Konsul­tation über die Kraft­werks­stra­tegie, mit der insgesamt 12,5 GW Gaskraft­werke als Reserve für die Netzsta­bi­lität Strom­netze ausge­schrieben werden sollten. Doch diese Ausschrei­bungen reichten der neuen Bundes­re­gierung nicht. Die CDU/CSU unter­stützte den Entwurf nicht in der „letzten Runde“ vor den Wahlen, in der einige besonders wichtige Energie­ge­setze noch im Konsens verab­schiedet werden sollten. Man werde aber nach den Wahlen schnell liefern, aber die Kraft­werks­stra­tegie der Ampel war der Union zu klein und sie wollte sich nicht auf H2 verengen.

Nach den Wahlen bekräf­tigte die Union, dass deutlich mehr ausge­schrieben werden sollte, die Wirtschafts­mi­nis­terin sprach von bis zu 20 GW. Dies indes erwies sich bei der Europäi­schen Kommission als nicht durch­setzbar, ohne deren Notifi­zierung Deutschland bekanntlich keine Beihilfen zahlen darf. Es begann ein zähes Ringen, das nun im Koali­ti­ons­aus­schuss vom 13. November 2025 offenbar beschlossen wurde: Es sollen 2026 Gaskraft­werke mit insgesamt 8 GW Kapazität ausge­schrieben werden. Weitere 4 GW sollen 2026/2028 folgen. Die aktuelle Bundes­re­gierung konnte also in Brüssel auch nicht mehr Kapazität durch­setzen als die Ampel. Die bisher einzige sichtbare markante Verän­derung besteht in der Dekar­bo­ni­sie­rungs­stra­tegie für die neuen Kraft­werke: Die Ampel wollte sie gleich oder später auf Wasser­stoff umstellen. Die Regierung Merz möchte auch CCS/CCU erlauben, also die Abscheidung und Speicherung von CO2 in fossil betrie­benen Kraft­werken. Doch ob dies realis­tisch ist? Die Inter­na­tionale Energie­agentur (IEA) stuft die Techno­lo­gie­reife von CCS an Gaskraft­werken mit einer 8 (Skala 1–11) ein, was bedeutet, dass die Techno­logie in Demons­tra­ti­ons­an­lagen funktio­niert, aber noch keine großtech­nische Markt­reife erreicht hat. Ob Unter­nehmen unter diesen Voraus­set­zungen von der Option Gebrauch machen, wenn sie ansonsten Geld zurück­zahlen müssen? 

Doch wie auch immer – für 2026 ist damit endlich mit den Ausschrei­bungen zu rechnen. Es ist anzunehmen, wenn auch nicht sicher, dass auch im kommenden Entwurf die Bundes­netz­agentur die Kapazi­täten ausschreiben wird. Unter­nehmen, die Kraft­werke errichten und betreiben wollen, geben dann Gebote ab, indem sie den aus ihrer Sicht erfor­der­lichen Förder­betrag nennen. Die wirtschaftlich günstigsten Gebote, die den Teilnah­me­kri­terien entsprechen, bekommen den Zuschlag für den Abschluss langfris­tiger Diffe­renz­ver­träge (Contracts for Diffe­rence), die den Betreibern die Differenz zwischen Strike Price und Markt­preis ersetzen, gekoppelt mit Einhaltung der Dekar­bo­ni­sie­rungs­pflichten und einer Förderung der Kapazi­täts­be­reit­stellung an sich.

Und nun sind wir mal alle sehr gespannt auf den Referen­tenwurf (Miriam Vollmer).

2025-11-14T13:16:55+01:0014. November 2025|Strom|

Windparks ohne EEG Förderung?

Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneu­er­baren Energien stehen immer wieder mal in der Kritik, weil deren Strom­erzeugung, soweit sie nicht dem Eigen­ver­brauch dient, über das Instrument der Einspei­se­ver­gütung oder der Markt­prämie staatlich subven­tio­niert werde. Dabei gibt es auch Anlagen von relevanter Größe die inzwi­schen ohne solche Förderung auskommen.

Es gibt in Deutschland tatsächlich Windparks, die ohne zusätz­liche gesetz­liche Förderung (also etwa ohne eine garan­tierte Einspei­se­ver­gütung nach dem Erneuerbare‑Energien‑Gesetz – EEG) errichtet worden sind oder so geplant werden.

Der Windpark He Dreiht als derzeit Deutsch­lands größter Offshore-Windpark nordwestlich der Insel Borkum mit einer Leistung von ca. 900 MW wurde im Rahmen einer Ausschreibung gewonnen mit einem “Null-Bezuschussung”-Gebot: Der Betreiber erklärte, dass keine EEG-Förderung erfor­derlich sei.Auch bei anderen Offshore-Windpro­jekten wurde bzw. wird ein Zuschlag ohne Förder­an­spruch („0 Cent pro kWh“) erteilt. Ein weiteres Projekt, der Offshore-Windpark Windanker in der Ostsee, ist geplant mit einem Zuschlagssatz von 0 Cent/kWh – also auch ohne Förderung.

Diese Fälle betreffen insbe­sondere Offshore-Windparks (also Windener­gie­an­lagen auf See). Onshore-Windparks (an Land) sind oft noch stärker von Förder­me­cha­nismen abhängig oder haben andere Vertragsmodelle.

Ohne Förderung” bedeutet hier: kein Anspruch auf eine staat­liche fixe Einspei­se­ver­gütung oder ein ähnliches Förder­modell. Nicht unbedingt: keine finan­zi­ellen Risiken oder keine Markt­ri­siken. Auch wenn kein Förder­tarif gewährt wird, bleibt oft eine Markt­be­tei­ligung bzw. Vermarktung über Strom­mengen- oder PPA-Verträge (Power Purchase Agree­ments) erfor­derlich, damit sich das Projekt wirtschaftlich trägt. Der Erfolg bzw. die Wirtschaft­lichkeit hängt stark ab von Faktoren wie: Stand­ort­qua­lität (Windauf­kommen, Volllast­stunden), Finan­zie­rungs­kosten, Technik- und Indus­trie­lern­kurven, Netzan­schluss­kosten etc.

Trotz dieser positiven Beispiele ist das derzeit aber noch nicht automa­tisch der Standardfall —Förder­mo­delle spielen weiterhin eine große Rolle im Ausbau der Windenergie.

(Christian Dümke)

2025-11-07T15:48:27+01:007. November 2025|Allgemein|

Wie weiter mit dem ETS II?

Der Europäische Rat – also das Organ der Mitglied­staaten der EU – will den EU ETS II um ein Jahr verschieben (siehe hier). Er soll also erst 2028 starten und nicht 2027. Der Grund ist banal: Manchen EU-Regie­rungen ist der CO2-Preis, der vor allem Erdgas, Heizöl, Diesel‘ und Benzin verteuert, schlicht zu hoch. Sie hoffen teilweise, dass es entweder gar nicht zu den teilweise prognos­ti­zierten hohen Preisen kommt oder der ETS II so spät starte, dass der Aufwuchs an klima­freund­lichen Techno­logien wie Wärme­pumpe und E‑Auto quasi von selbst zu niedri­geren Preisen führt, um den Volkszorn nicht zu provozieren.

Doch was bedeutet das für die Praxis? Klar ist jeden­falls, dass die aus deutscher Perspektive wünschens­werte Verein­heit­li­chung sich verzögert. Doch womit müssen deutsche Versorger und Verbraucher rechnen?

Eine mögliche Antwort geben Treib­hausgas-Emissi­ons­han­dels­gesetz (TEHG) und Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­gesetz (BEHG). Denn der Fall einer Verschiebung ist hier durchaus bereits mitge­dacht, aber nicht als letztlich politische Entscheidung, sondern für den Fall, dass die Kommission wegen außer­ge­wöhnlich hoher Energie­preise den Start­schuss um ein Jahr verschiebt. Dieser – in Art. 30k Emissi­ons­han­dels­richt­linie sehr klar umrissene – Fall liegt nicht vor, deswegen kann die Kommission nicht einfach eine Bekannt­ma­chung vornehmen, aber die Situa­tionen sind so ähnlich, dass ein Rückgriff sich anbietet. In diesem Fall suspen­diert § 56 TEHG die Abgabe­pflicht – nicht aber die Berichts­pflicht – für Inver­kehr­bringer nach dem TEHG für das Jahr 2027.

Doch sind die Inver­kehr­bringer dann aller Sorgen ledig? Mitnichten – denn es gibt ja auch noch das BEHG. Dessen § 24 Abs. 1 BEHG sieht vor, dass nur dann die Verpflich­tungen nach dem BEHG zurück­treten, wenn das TEHG greift. Ist das nicht der Fall, gilt das BEHG also weiter.

Doch wie sieht dann die Bepreisung konkret aus? Gibt es feste Preise? Hier sieht § 10 BEHG an sich eine Verstei­gerung vor, ab 2027 ohne Preis­ober­grenze. § 10 Abs. 3 Nr. 5 BEHG erlaubt der Bundes­re­gierung aber (wie im Restan­wen­dungs­be­reich des BEHG) eine abwei­chende Rechts­ver­ordnung mit einem Festpreis­verkauf zum Preis von TEHG-Zertifikaten.

Dies wirft aller­dings die Frage auf, wie in diesem Fall mit der Diskrepanz zwischen dem Budget für diesen Sektor und den verkauften Zerti­fi­katen umzugehen ist. Ein weiterer Zukauf würde mindestens sehr teuer, es ist auch fraglich, ob eine solche Regelung wirklich einen wahrnehm­baren Minde­rungs­anreiz ausüben würde. Zudem bereiten DEHSt und EEX schon jetzt die Verstei­gerung für 2026 vor, die in einem Preis­kor­ridor zwischen 55 und 65 EUR statt­finden soll. Ob angesichts dessen nicht eher ein zweites Jahr natio­naler Verstei­ge­rungen naheliegt, mögli­cher­weise mit einer realis­ti­scheren Obergrenze?

Alle diese Fragen müsste der deutsche Gesetz­geber beant­worten. Bevor dies aller­dings eintreten kann, muss nun erst einmal auf EU-Ebene geklärt werden, wie es weitergeht. Denn bekanntlich macht der Rat Regelungen nicht allein. Um hier kurzfristig etwas zu ändern, müssen auch Europäi­sches Parlament und Kommission aktiv werden, die bereits bei der letzten Novelle der Emissi­ons­han­dels­richt­linie ihren eigenen Kopf bewiesen haben. Es bleibt also bei einer ärger­lichen Unsicherheit, gerade für Zweijah­res­ver­träge, die diese Risiken nun abbilden müssen (Miriam Vollmer).

2025-11-07T14:38:59+01:007. November 2025|Allgemein, Emissionshandel|