Verkehrsforscher sind sich inzwischen weitgehend einig: Straßen saugen Verkehr an – und je besser und breiter sie ausgebaut sind, desto mehr. Es zeigt sich dieser Tage wieder an der A100. Nachdem der neue, 16. Streckenabschnitt in Neukölln und Treptow eröffnet wurde, gibt es Stau. So viel Stau, dass schon darüber diskutiert wird, die Strecke vorerst wieder dicht zu machen. Denn der Flaschenhals ist die Elsenbrücke nach Friedrichshain, die aktuell erneuert wird.
Für den Radverkehr gilt das Gleiche in Grün: Angebot schafft Nachfrage. Hier gibt es in großen Städten wie Berlin ein hohes Potential, Menschen von der Fahrbahn auf Radwege zu locken. Mit großen Vorteilen für die Flächeneffizienz. Wenn möglichst viele auf ein Kfz verzichten und platzsparendere Verkehrsmittel nutzen, ist in der Stadt für alle Platz für Verkehr. Allerdings sind nicht alle Radwege geeignet, sondern solche, die sicher sind, ausreichend Platz auch zu Stoßzeiten und für Überholvorgänge bieten und barrierefrei ausgestaltet sind:
Für die Sicherheit von Radwegen ist entscheidend, Querungen mit dem Kfz-Verkehr so weit wie möglich zu vermeiden und so sicher wie möglich zu gestalten. Insofern bietet es sich an, Fahrradrouten dort entlangzuführen, wo ohnehin eine Trasse oder ein Gewässer dafür sorgt, dass die Zahl der Querungen begrenzt ist.
Auch entlang der A100 gibt es Potential und entsprechende Projekte, so etwa der Königs-/Kronprinzessinnenweg im Grunewald und der östliche Teil der Y‑Trasse in Neukölln / Plänterwald. Allerdings staut sich hier die Planung. Zur Y‑Trasse, die über mehr als 20 km die Stadtteile Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Treptow-Köpenick verbinden würde, gibt es bisher nur eine Machbarkeitsstudie von 2020. Offenbar wurde das Projekt aufgegeben, weil kein Geld dafür übrig sei. Immerhin ist die Radschnellroute durch den Grünewald inzwischen in der Planfeststellung. Dazu sei angemerkt, dass selbst beim besten politischen Willen die Verfahren der Planung von Radwegen in Deutschland oft unnötig kompliziert sind. Wir hatten schon einmal zu unserer Beteiligung an der Entwicklung eines hessischen Radwegebaubeschleunigungsgesetzes berichtet, das inzwischen als Entwurf vorliegt.
Für die Kapazität von Fahrradwegen spielt aber auch ihre Breite eine maßgebliche Rolle. In Berlin gibt es hier eigentlich eine rechtliche Vorgabe in § 43 Abs. 1 Satz 1 Mobilitätsgesetz:
Auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen sollen Radverkehrsanlagen mit erschütterungsarmem, gut befahrbarem Belag in sicherem Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen und ausreichender Breite eingerichtet werden.
Leider wird diese gesetzliche Vorgabe von der aktuellen Berliner Regierung offenbar nur als unverbindliche Empfehlung angesehen. Von Anfang an hat die Regierung den in Berlin seit 2019 an sich vorgeschriebenen Mindeststandard von 2,00 m in Frage gestellt. Da Fahrräder einen Verkehrsraum von mindestens 1,00 m brauchen, ist ein Überholen auch mit „normalen“, einspurigen Fahrrädern bei schmaleren Radwegen nicht sicher möglich, geschweige denn mit Lastenrädern, Fahrradanhängern oder E‑Rollstühlen.
Die Berechnungen in technischen Regelwerken sind offenbar wenig geläufig. Denn in aktuellen Stellungnahmen in der Presse lässt die Berliner Verkehrsenatorin verlauten, dass Fahrradwege nicht so geplant sein müssten, dass „zwei Lastenräder nebeneinander passen“ könnten. Davon ist Realität auf der Straße weit entfernt: Am Tempelhofer Damm wird zwischen Alt-Tempelhof und der A100 aktuell der Radweg erneuert. Dabei wird der alte Standard von ca 80 cm Breite wieder hergestellt. Natürlich mit Pflastersteinen. Ein bisschen mehr Asphalt könnte Berlin seinen Radfahrern ruhig gönnen. Zumal daneben drei Kfz-Fahrstreifen in eine Richtung sind, die oft genug leer sind.

Zu schmal und mit schlecht befahrbarem Belag: Der 2025 neu gepflasterte Radweg am Tempelhofer Damm.
Auch Barrierefreiheit ist für Fahrradinfrastruktur ein immer wichtigerer Aspekt, auch weil Fahrradwege nicht bloß von sportlichen und jugendlichen Menschen genutzt werden, sondern auch von Menschen mit Bewegungseinschränkungen, die auf einen Elektro-Rollstuhl angewiesen sind. Zudem werden gewerbliche Logistikangebote für die letzte Meile in der Stadt immer wichtiger, die mit E‑Lastenrädern betrieben werden. Auch Sonderräder werden immer öfter auf Radwege genutzt. Daher ist es wichtig, dass Radverkehrsinfrastruktur so gebaut ist, dass die Durchfahrtbreite nicht durch zu enge Poller oder Durchfahrtgitter verengt wird. (Olaf Dilling)
Ergänzung zum Fahrradschnellweg über den Kronprinzessinen-Weg, der oben „Lobend erwähnt“ wurde:
Es ist eine ziemlich verrückte Idee, die einzige Planung, die für die Radfahrer so gut wie keinen Mehrwert bietet, jetzt weiter zu führen.
Keine Mehrwert:
Der Haupteil – neben der Avus – ist schon heute gut. Der südliche Teil, der 2 oder 3 Jahre unter der Woche gesperrt war, ist sogar gerade frisch geteert. Wenn man den Teil gemäß Radwegegesetz aufmotzt, bedeutet das: Fällen diverser Bäumen, neuerliche monatelange Sperrung und über Beleuchtung im Wald kann man auch streiten.
Der nördliche Teil besteht aus:
– Auerbachtunnel:
den wollte eine der letzten Planungen für den Autoverkehr sperren – was der Nachbarschaft die Zufahrt zum Supermarkt verwehrt und eine Ausweichstrecken in von Westen in den Süden blockiert, die durch die bereits durchgeführten (Ringbahnbrücke) und zu erwaretenden (Autobahndreieck Funkturm, Stadteingang West) Baustellen auf der Stadtautobahn eifrig genutzt werden.
– Trabener Straße, Trabener Steg:
sind auch heute völlig unproblematisch zu fahren, kleine Verbesserungen wären zwar wünschenswert, aber ein großer Umbau völlig überflüssig.
– Eichkampstraße:
warum jetzt dort etwas umbauen, wenn die Planung des Autobahndreiecks neue Möglichkeiten schaffen werden?
Schwierig wird es für Radfahrende ab der Jaffestr, und am Messedamm. Leider endet die Planung des Radschnellwegs, bevor es wichtig wird. Leider ist noch nicht einmal in der Autobahndreiecksplanung ein verbindlicher und vorbildlicher Radschnellweg vorgesehen.
Im Ergebnis:
Hier wird gerade viel Geld in einem Projekt versenkt, dass den Radfahrern langfristig wenig nützt, sie kurzfristig (neue Sperrung) behindert, und die Anlieger stark verärgert, weil ihnen die Zufahrt zum Supermarkt und die Parkplätze genommen werden sollen.
Mit anderen Worten:
Die Weiterführung dieses Projekts ist eine Mogelpackung, mit der die Senatsverwaltung sagen kann „wir tun etwas“, obwohl es niemand wirklich nützt.