In § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 StVO ist zu lesen, dass die „Straßenverkehrsbehörde“, in der Regel der Kreis oder die kreisfreie Gemeinde, „die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnungen von Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen“ trifft. Heißt das, dass Gemeinden verkehrsberuhigte Bereiche oder Fußgängerzonen nicht aufgrund ihrer Planungsautonomie aus Art. 28 Abs. 1 GG festsetzen können?
Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hat dazu im Juni 2025 ein instruktives Urteil (23.06.2025 – 3 S 1464/24) gefällt. Es geht dabei um die Frage der Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans in der kleinen Gemeinde Wilhelmsfeld im Odenwald.

Frank, CC BY-SA 2.5 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5>, via Wikimedia Commons
Betroffen ist ein Wohngebiet, das bisher als reines Wohngebiet galt und nun als allgemeines Wohngebiet festgesetzt werden soll. Das heißt, dass im begrenzten Umfang gewerbliche Tätigkeiten und nicht störende Betriebe, wie Friseure, Bürobetriebe und Arztpraxen zugelassen werden sollen. Die Antragsteller des Normkontrollverfahrens hatten die Sorge, dass durch die neuen Festsetzungen und die dadurch ermöglichte Bautätigkeit die Verkehrs- und Lärmbelastung in ihrem Wohnviertel zunehmen würde.
Zudem wollte der Gemeinderat mit dem neuen B‑Plan auch ein bisher bestehendes verkehrsberuhigtes Gebiet aufheben. Stattdessen sollten sie einem so genannten „Wohnweg mit höhengleichen Straßenausbau“ weichen. Denn der Gemeinderat war der Auffassung, dass trotz eines entsprechenden Interesses der Anwohnenden eine verkehrsberuhigte Zone im Bebauungsplan nicht beibehalten werden könne. Aus Sicht der Antragstellerin obliege die Widmung von Verkehrsflächen als „Spielstraße“ oder als „verkehrsberuhigter Bereich“ alleine der zuständigen Straßenbehörde.
Der B‑Plan wurde nach § 13a BauGB im beschleunigten Verfahren erlassen. Aus formaler Sicht hatte das Gericht an dem Erlass des Bebauungsplans nicht allzuviel zu beanstanden. Denn die meisten Kritikpunkte waren nach § 214 BauGB unbeachtlich oder wurden nach § 215 BauGB nicht rechtzeitig gerügt. Außerdem sei zur Beurteilung der Frage, ob durch die Änderung der Festsetzungen des Bebauungsplans vom reinen zum allgemeinen Wohngebiet sich das Verkehrsaufkommen wesentlich erhöht, keine Beauftragung eines externen Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.
Der Senat geht letztlich doch von der Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans aus. Denn der kategorische Ausschluss der Festsetzung eines verkehrsberuhigten Bereichs sei ein erheblicher Ermittlungs- und Bewertungsfehler. Die Gemeinde sei aufgrund ihrer Planungshoheit dafür zuständig, solche Zonen selbst durch Widmung (bzw. Widmungsfiktion iSd § 5 Straßengesetz BW) festzulegen. Es handelt sich nämlich um eine städtebauliche Entscheidung, die die Gemeinde selbst treffen muss. Die Straßenverkehrsbehörde ordnet nur noch die nachgeordnete Kennzeichnung dieser Zonen an. Ein „Wohnweg“ sei im Übrigen eine Kategorie, die verkehrsrechtlich als solche nicht existiert, so dass die von der Gemeinde getroffene Festsetzung auch nicht bestimmt genug ist. Dieser beachtliche Fehler sei aufgrund der rechtzeitigen Rüge beachtlich geblieben.
Die Zurückhaltung bei der Festsetzung verkehrsberuhigter Bereiche ist für Gemeinden mit zu schmalen Straßen ohne richtige Gehwege typisch. Stattdessen lassen sie sich von Planungsbüros, die rechtlich nicht gut beraten sind, oft zu rechtwidrigen Lösungen überreden, bei denen ein niveaugleicher Gehweg im Gegenverkehr überfahren werden soll. Das beruht auf der Mode, den öffentlichen Raum ohne Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten als „Shared Space“ auszugestalten, was oft genug auf Kosten vulnerabler Verkehrsteilnehmer geht. Vor Gerichten scheitern solche Lösungen regelmäßig.
Dabei ist gegen „Shared Space“ in manchen Fällen gar nichts einzuwenden. Es sollte nur klar sein, dass das Parken nur dort möglich ist, wo es explizit erlaubt ist und dann die Geschwindigkeit an den Fußverkehr angepasst werden muss. Beide Voraussetzungen sind in verkehrsberuhigten Zonen gegeben. (Olaf Dilling)
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