Es geht weiter auf dem Weg zur Regierung Merz. Nun liegt ein erster Entwurf des Kapitels des Koalitionsvertrags für Klima und Energie vor. Dieses Arbeitspapier ist noch nicht der Endstand. Es enthält zahlreiche Passagen, in denen die Verhandler der CDU, CSU und der SPD sich nicht einig sind. Hier wird nun im kleinen Kreis weiter verhandelt. Gleichwohl wird schon aus dem aktuellen Stand deutlich, wohin die Reise gehen soll.
Das zwölfseitige Papier beginnt mit einem Bekenntnis zu den deutschen und europäischen Klimazielen. Auch die Regierung Merz will also bis 2045 Netto-Null erreichen. Allerdings gibt es hier schon einen wichtigen Punkt, bei dem Union und SPD sich unterscheiden: Auch CO2-Minderungen im Ausland sollen auf das deutsche Klimaziel angerechnet werden. Das würde den Minderungdruck, insbesondere auf die Industrie in Deutschland, deutlich verringern und so die Transformation sicherlich verzögern. Allerdings ist auch der Union klar: Das kann Deutschland nicht allein neu regeln. Sollte sich die CDU im Koalitionsvertrag hier durchsetzen, wäre dieser Punkt eher ein Auftrag an die Bundesregierung, sich in Brüssel für eine entsprechende Änderung des EU-Klimagesetzes und des Emissionshandelssystems einzusetzen. Allerdings wurde die Emissionshandelsrichtlinie erst kürzlich novelliert, und die deutsche Umsetzung ist erst wenige Wochen alt. Ein Selbstläufer wäre das wohl nicht. Schließlich werden die bisherigen Erfahrungen mit Minderungen außerhalb Europas von vielen Akteuren ausgesprochen ambivalent beurteilt.
Die kommende Koalition bekennt sich klar zum ETS 2, das ab 2027 fossile Brenn- und Treibstoffe europaweit einheitlich bepreist. Einigkeit besteht offenbar über den Wunsch, einen fließenden Übergang zwischen dem heutigen CO2-Preis, derzeit 55 €, und dem kommenden System zu schaffen. Preissprünge sollen vermieden werden. Allerdings nennt das Papier kein Instrument, mit dem dies bewerkstelligt werden soll. Vorübergehende Ausgleichszahlungen dürften gemeinschaftsrechtlich unzulässig sein. Hier darf man gespannt sein, ob der kommenden Bundesregierung in den anderthalb Jahren bis zum Start noch etwas einfällt, was in Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten nicht auf Gegenwind stößt.
Wie schon die letzte Bundesregierung will auch die nächste die Strompreise senken. Die Stromsteuer soll auf das europäische Mindestmaß sinken, Umlagen und Netzentgelte reduziert werden. Die Netzentgelte sollen sogar gedeckelt werden, was wohl bedeutet, dass ein Teil der Netzkosten von der öffentlichen Hand getragen werden muss. Außerdem plant die Bundesregierung Merz einen Industriestrompreis, was insofern bemerkenswert ist, als die Union dies in der Vergangenheit eher abgelehnt hatte. Die Gasspeicherumlage soll abgeschafft werden, und die CDU will in Deutschland die Gasförderung sogar noch ausbauen.
Natürlich will auch die nächste Bundesregierung die Bürokratie reduzieren, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Die CDU will deswegen künftig auf den naturschutzrechtlichen Ausgleich verzichten. Dies dürfte ebenso für Diskussionen sorgen wie der Wunsch der Union, Verbandsklagerechte abzuschaffen. Angesichts der völkerrechtlichen Grundlagen dürfte das durchaus schwierig werden.
Beim Netzausbau gibt es noch Differenzen zur Frage der Erdverkabelung. Die SPD will weiterhin Kabel vergraben, die Union bevorzugt Freileitungen. Auch bei der Frage der Strompreiszonen ist man sich nicht einig. Die SPD möchte zumindest prüfen, ob die einheitliche Preiszone beibehalten werden soll, die CDU hingegen lehnt sogar die Prüfung ab. Das ist nicht weiter erstaunlich, da vor allem die CSU Nachteile befürchtet, weil in Bayern der Ausbau der Windenergie stockt.
Angesichts der europäischen Minderungsziele will auch die nächste Bundesregierung erneuerbare Energien ausbauen und zusätzliche Gaskraftwerke errichten, um die Residuallast zu sichern. Anders als die scheidende Bundesregierung will die neue Regierung die geplanten 20 GW Gaskraftwerksleistung bis 2030 jedoch auch zur Preisstabilisierung nutzen, nicht nur zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit.
Viel diskutiert wird der Kohleausstieg 2038. Die Grünen hatten sich einen früheren Kohleausstieg gewünscht, 2038 ist der gesetzliche Status Quo. Dass ein Ausstieg 2030 nun nicht kommt, ist in einer Regierung ohne grüne Beteiligung wenig überraschend. Doch stellt dies wirklich einen großen klimapolitischen Rückschlag dar? Solange die für die Stilllegung von Kohlekraftwerken vorgesehenen Emissionsberechtigungen nicht gelöscht werden, bleibt eine Stilllegung klimapolitisch nahezu neutral, da die Zertifikate andernorts genutzt werden. Das Wirtschaftsministerium scheiterte zuletzt mit dem Versuch, Zertifikate für den bereits gesetzlich verankerten Kohleausstieg zu löschen. Angesichts der ofenbar bestehenden Schwierigkeiten stellt sich die Frage, ob die erheblichen politischen wie finanziellen Kosten einer Neuverhandlung des Vertrags mit den Braunkohlebetreibern wirklich gerechtfertigt wären.
Dass die CDU die Kernkraft anders bewertet als die letzte Bundesregierung, ist kein Geheimnis. Sie möchte weiterhin zur Kernkraft forschen, doch ein neues deutsches Atomkraftwerk ist derzeit nicht geplant. Allerdings wünscht sich die Union zumindest eine Prüfung der sich im Rückbau befindlichen Kernkraftwerke, um zu klären, ob eine Reaktivierung möglich wäre. Angesichts erloschener Genehmigungen und des Alters der Anlagen erscheint dies jedoch auch Kennern der Materie eher fraglich.
Ein handfester Streitpunkt bleibt das Thema Wärme. Die CDU möchte das sogenannte „Heizungsgesetz“ (Gebäudeenergiegesetz, GEG) abschaffen. Allerdings wird nicht klar, was stattdessen gelten soll. Im Papier heißt es vage, man wolle auf eine langfristige Betrachtung der Emissionseffizienz setzen, offenbar nicht auf die 65 % erneuerbaren Energien. Doch was bedeutet das konkret? Die CDU will bestehende europarechtliche Spielräume nutzen, doch diese dürften begrenzt sein. Die Gasbinnenmarktrichtlinie und die Gebäuderichtlinie setzen enge Grenzen. Auch das Thema Gasheizung und ‑infrastruktur bleibt brisant. Die CDU will Gas als Energieträger und auch die Gasnetze erhalten, was angesichts der novellierten Gasbinnenmarktrichtlinie nicht einfach sein dürfte. Immerhin: Die künftige Koalition plant wieder eine großzügigere Förderung der Wärmewende. So sollen auch wieder Gebäude nach dem KfW-55-Standard gefördert werden, der Heizungstausch bezuschusst und der Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen vorangetrieben werden. Hier plant die kommende Bundesregierung eine deutliche Erhöhung: 3,5 Milliarden Euro jährlich. Einig sind sich die künftigen Partner auch im Hinblick auf den rechtlichen Rahmen der Wärmeversorgung. Sie wollen die AVB FernwärmeV und die Wärmelieferverordnung novellieren. Hier hatte das Ende der Ampel den ohnehin bereits laufenden Novellierungsprozess unterbrochen.
Insgesamt gibt es viele Kontinuitäten, während sich die Neuerungen eher als evolutionär denn als revolutionär erweisen. Dies ist insofern nicht erstaunlich, als dass der Schlüssel zu vielen Wünschen in Brüssel liegt, nicht in Berlin. Dies gilt auch für den Wunsch der Union, außer-europäische Minderungen in den europäischen Emissionshandel einzuführen. Eine tiefgreifende Änderung wäre erforderlich, um dies umzusetzen. Sollte sich die Union sowohl gegenüber dem Koalitionspartner als auch in Brüssel durchsetzen, wäre dies eine tatsächlich radikale Neuausrichtung zurück zum Status Quo der ersten Jahre des EU-Emissionshandels, als CER und ERU aus dem Ausland noch abgabefähig waren (Miriam Vollmer).
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