Friedrich Merz wird aller Wahrscheinlichkeit der nächste Bundeskanzler. Kommt jetzt die deutsche Rückkehr zur Atomkraft?
In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD herrscht offenbar eine Pattsituation. Im entsprechenden Papier der Arbeitsgruppe heißt es dazu:
„[Kernenergie: Gerade mit Blick auf die Klimaziele und die Versorgungssicherheit kann die Kernenergie eine bedeutende Rolle spielen. Dabei setzen wir im europäischen Kontext auf die Forschung zu Kernenergie der neuesten Generation, Small Modular Reactors und Fusionskraftwerken. Gleichzeitig streben wir schnellstmöglich eine fachliche Bestandsaufnahme an, ob angesichts des jeweiligen Rückbaustadiums eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist. Die Prüfung erfolgt durch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, die Reaktor-Sicherheitskommission und TÜV. Bis dahin soll der Rückbau der Anlagen umgehend, möglichst durch eine freiwillige Vereinbarung mit den Betreiberunternehmen, gestoppt werden.]“
Es handelt sich dabei allerdings nur um einen Entwurf, über den noch keine Einigkeit erzielt werden konnte. Derweil schreitet der Rückbau voran. Laut Presseberichten soll zu dem Friedrich Merz inzwischen selbst geäußert haben: „Da ist wahrscheinlich nichts mehr zu machen.“
Und was sagen die Betreiber selbst?
E.ON hat sich klar gegen eine Wiederaufnahme des Anlagenbetriebes ausgesprochen. Auch EnBW ist skeptisch, da der Prozess des Rückbaus schon begonnen habe und nicht so ohne weiteres wieder umgekehrt werden könne. EnBW ist Betreiber von fünf abgeschalteten AKW. Auch bei RWE sieht man „erhebliche regulatorische, finanzielle und personelle Hürden“ vor einer möglichen Wiederinbetriebnahme.
Wir sind skeptisch und gespannt.
(Christian Dümke)
Unser Kommentar:
Koalitionsverhandlungen – Union hält an der Atomkraft fest
Wer gedacht hat, die Unionsparteien plädierten nur aus wahltaktischen Gründen für ein Festhalten an der Atomkraft, der wird jetzt eines Besseren belehrt. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD findet sich im Entwurf des Koalitionsvertrages ein Passus, in dem eine fachliche Bestandsaufnahme gefordert wird, „ob angesichts des jeweiligen Rückbaustadiums eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist.“ Die Prüfung solle durch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, die Reaktor-Sicherheitskommission und TÜV erfolgen.
Das sei „bar jeder ökonomischen und ökologischen Vernunft und völlig überflüssig“ schreibt dazu die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) und erinnert daran, dass alle Energiekonzerne in Deutschland diese CDU/CSU-Forderungen wiederholt aus Kostengründen zurückgewiesen hatten.
„Wir dachten, es ginge der Union mit ihrem Nuklearpopulismus lediglich um Wählerstimmen, aber nun wird es wirklich ernst“, sagt dazu BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. „Die SPD darf hier nicht einknicken.“
Besonders merkwürdig sei, dass die Schattenseite der Atomkraftnutzung, die Atommüllproblematik, im KO-Papier so gut wie keine Erwähnung finde, dazu findet sich ein lapidarer Satz.
„Sukzessive verlieren alle atomaren Zwischenlager ihre Genehmigung. Wir hatten gedacht, dass es eine Vereinbarung geben müsse, um diese Lagerstätten auf den neuesten Stand von Sicherheit und Technik zu bringen, mit einem einheitlichen Regelwerk u.a. zum Umgang mit Störfällen oder zur Sicherung gegen Bedrohungslagen, denn diese Lager müssen weitere 80 bis 100 Jahre betrieben werden.“
Die BI empfiehlt den Verhandlern zudem einen Blick in Deutschlands Nachbarländer: Dort zeichnen sich nicht nur in Finnland und Großbritannien finanzielle Desaster mit den kürzlich fertiggestellten oder noch in Konstruktion befindlichen AKW-Neubauten Olkiluoto und Hinkley Point C ab. Gerade im atomverliebten Frankreich hat erst im Januar der dortige Rechnungshof eindringlich vor weiterem Engagement im Nuklearsektor gewarnt und vor unüberschaubaren ökonomischen Risiken gewarnt. Belgien und die Niederlande erleben aktuell, dass Investoren vor dem AKW-Thema zurückschrecken, Polens Einstieg in die Atomkraft ist auf die lange Bank geschoben, und auch in Schweden mehren sich die Stimmen, die vor viel zu hohen Kosten der Stromproduktion in Atomkraftwerken warnen.
Union und SPD sollten nicht den gleichen Fehler machen wie einst CDU-Minister Peter Altmaier: Der hatte einer florierenden deutschen Solarbranche 2011 die Subventionen entzogen, um den schon damals siechen Braunkohlebergbau zu retten. Am Ende hatte Deutschland beides verloren: Der schon damals rückwärtsgewandte Braunkohleabbau ging trotzdem zu Grunde, die Marktanteile in der hochmodernen Solarbranche übernahmen unwiederbringlich chinesische Firmen.
Durch den Schlingerkurs der deutschen Energiepolitik könnte in Deutschland abermals ein unsicheres Wirtschaftsklima entstehen und dringend benötigte Investoren davor zurückschrecken lassen, in erneuerbare Energien, Leitungsausbau und vor allem in Speichertechnologie zu investieren.
Wolfgang Ehmke, Pressesprecher, 0170 501 56 06