Demokratie findet in Deutschland vor allem in Gesetzen Niederschlag. Dort sollen alle für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Entscheidungen getroffen werden.
In der Realität sieht es oft anders aus. Viele wichtige Entscheidungen auch über Schutzniveaus werden oft in untergesetzlichen Normen, den Verordnungen oder Satzungen, oder gar in Verwaltungsvorschriften getroffen, die lediglich intern, innerhalb des Behördenapparats Geltung haben.
Das ist schlecht für die Demokratie und für die Transparenz von Regelungen. Oft ist es aber notwendig, da technische Fragen in parlamentarisch beschlossenen Gesetzen zu unflexibel und umständlich geregelt sind.
Was sowohl für die Demokratie als auch für eine effiziente und flexible Regelung schlecht ist: Wenn in Gesetzen in Form von symbolischer Politik und „window dressing“ Versprechungen gemacht werden, die dann in den Verwaltungsvorschriften nicht eingelöst oder sogar zurückgenommen werden. Dadurch kann die Intention des Gesetzgebers unterlaufen werden und Bürgern das Gefühl gegeben, dass ihre demokratischen Entscheidungen nicht respektiert werden. Eine strukturkonservative Bürokratie belässt in der Sache alles beim Alten: „Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix“.
Genau das droht leider aktuell im Straßenverkehrsrecht zu passieren: Der Verkehrsausschuss *und insbesondere der Innenausschuss* des Bundesrats hat gegenüber dem Regierungsentwurf mehrere Änderungen zur Anpassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO eingebracht. Trotz innovativer Änderungen der StVO und des Straßenverkehrsgesetzes, die den Kommunen mehr Spielräume bei der Verkehrswende geben sollten, soll die Verwaltungsvorschrift diese Änderungen praktisch leer laufen lassen.
Dies zeigt sich am Beispiel der Fußgängerüberwege (Zebrastreifen). Laut neuer StVO sollen die Möglichkeiten zur Einrichtung erweitert werden, indem nur noch eine einfache Gefahr zu ihrer Einrichtung erforderlich ist.
In der Praxis scheiterte die Einrichtung von Zebrastreifen jedoch vor allem an den sogenannten verkehrlichen Vorgaben in der Verwaltungsvorschrift. Demnach sollten Fußgängerüberwege in der Regel nur angelegt werden,
„wenn es erforderlich ist, dem Fußgänger Vorrang zu geben, weil er sonst nicht sicher über die Straße kommt. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn es die Fahrzeugstärke zuläßt und es das Fußgängeraufkommen nötig macht.“
Weil gerade für vulnerable Gruppen die Anlage von Fußgängerüberwegen erleichtert werden sollte, hat das Verkehrsministerium diese Vorgaben im Regierungsentwurf gestrichen. In der Empfehlung des Verkehrsausschusses des Bundesrats sind sie nun wieder drin. Dadurch droht die Initiative der Gesetzgebung und es Verordnungsgebers leer zu laufen.
Der politische Kontext ist eine parteipolitische Intrige, die von den Ländern gegen ein Projekt der scheidenden Ampelregierung gefahren wird. Unter die Räder – oft leider buchstäblich – kommen die vulnerablen Gruppen, Kinder, Menschen mit Gehbehinderungen oder alte Leute, für die die Erleichterungen bei der Anordnung von Zebrastreifen mehr Sicherheit schaffen sollten. (Olaf Dilling)
PS: Unsere Befürchtungen haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet, da der Bundesrat entgegen den Änderungswünschen insb des *Innenausschusses* die VwV im Wesentlichen so beschlossen hat wie in der Regierungsvorlage zur Umsetzung der neuen StVO vorgesehen. Was die Fußgängerüberwege angeht, wurde lediglich die Regel beibehalten, dass sie (abgesehen von Kreuzungen und Einmündungen) in ausreichendem Abstand voneinander angelegt werden sollen. Das ist schade, aber ändert nichts an der Tatsache, dass die Spielräume durch den Wegfall der verkehrlichen Voraussetzungen erheblich erweitert wurden.
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