Betrug mit Klima­schutz­pro­jekten in der Ölbranche

Kennen Sie noch die Geschichte mit den Potem­ki­schen Dörfern? Fürst Potjomkin habe Aufbau­erfolge als Gouverneur zum Besuch der Zarin durch bemalte Kulissen vorge­täuscht, um vor ihr besser dazustehen. Im Juni 2024 wurde bekannt, dass es in China wohl großan­gelegt gefälschte Projekte zur CO2-Minderung, sogenannte Upstream-Emissions-Reduk­tions-Projekte (UER) gibt. Die Auswertung von Satel­li­ten­bildern brachte wohl den Stein ins Rollen. Doch geht es hierbei nicht um den guten Eindruck, wie bei Fürst Potjomkin, sondern um Milli­arden und die Glaub­wür­digkeit eines wichtigen Instru­ments des Klima­schutzes. Das Umwelt­bun­desamt (UBA), das diese Projekte zerti­fi­ziert hat, zieht nun die Notbremse, wie heute in einer Presse­mit­teilung verkündet wurde. Fehler­hafte Zerti­fikate in Höhe von rund 215.000 Tonnen CO2 gelangen nicht in den Markt.

Mit Upstream-Emissions-Reduk­tions-Projekten haben Ölkon­zerne laut einem Bericht des BMUV seit 2018 die Möglichkeit, die gesetz­lichen Klima­schutz­ziele im Verkehrs­sektor zu erreichen. Die meisten dieser Projekte zielen darauf, den CO2-Ausstoß bei der Ölför­derung zu reduzieren, indem dabei anfal­lende Begleitgase nicht mehr abgefa­ckelt, sondern durch Umbau der Anlage ander­weitig genutzt werden. Für die so einge­sparten Emissionen erhalten die Unter­nehmen UER-Zerti­fikate, die sie einsetzen können, um die THG-Quote zu erfüllen.

Bei acht UER-Projekten in China, bei denen bis zum 31. August 2024 über die Freischaltung entschieden werden musste, werden wir aufgrund von uns ermit­telter Unregel­mä­ßig­keiten die beantragten Freischal­tungen nicht durch­führen. Es werden aus diesen Projekten also keine neuen UER-Zerti­fikate in den Markt gelangen. Das ist eine gute Nachricht“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner.

Bei sieben der acht Projekte – die von großen, inter­na­tio­nalen Unter­nehmen durch­ge­führt werden – wurden die Anträge auf Freischaltung von UER-Zerti­fi­katen für 2023 zurück­ge­zogen. Insgesamt hat das UBA auf diese Weise verhindert, dass unberech­tigte UER-Zerti­fikate im Umfang von 159.574 Tonnen CO2-Äquiva­lente in den Markt gelangt sind. Bei einem weiteren Projekt in China hat das UBA die Ausstellung von UER-Zerti­fi­katen untersagt, weil das Projekt, wie umfas­sende Satel­li­tenbild- und vertiefte technische Analysen durch UBA-Experten ergaben, vorzeitig begonnen wurde. Ein solcher vorzei­tiger Beginn ist nach der Verordnung zur Anrechnung von Upstream-Emissi­ons­min­de­rungen auf die Treib­haus­gas­quote (UERV) nicht zulässig. Hier hat das UBA durch die Versagung der Freischaltung verhindert, dass allein aus diesem Projekt unberech­tigte UER-Zerti­fikate im Umfang von 55.225 Tonnen CO2-Äquiva­lenten in den Markt gelangten.

In weiterem 21 Projekten wurden die Projekt­träger um Autori­sierung von Kontroll­be­suchen vor Ort gebeten, doch diese vielfach verweigert. Diese Verwei­gerung der Vor-Ort-Kontrollen deutet das UBA als sehr starkes Indiz, dass die Projekt­träger nicht bereit sind, ihre Verpflich­tungen unter der UERV zu erfüllen.

Neben den acht nun nicht freige­schal­teten Projekten wird das UBA weitere kritische UER-Projekte weltweit überprüfen, bis alle Vorwürfe ausge­räumt sind. Parallel ermittelt – laut Presse­mit­teilung – die Staats­an­walt­schaft Berlin gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemein­schaft­lichen gewerbs­mä­ßigen Betruges. Bei den Beschul­digten handelt es sich um die Geschäfts­führer bzw. Mitar­bei­tende von Prüfstellen, die an der Verifi­zierung UER-Projekten beteiligt gewesen sein sollen. Gegen die Beschul­digten bestehe der Anfangs­ver­dacht, die zustän­digen Mitar­bei­tenden des UBA hinsichtlich der Existenz und/oder jeden­falls der Antrags­be­rech­tigung verschie­dener Klima­schutz­pro­jekte getäuscht zu haben, weshalb zwischen­zeitig gewährte Sicher­heiten der Projekt­träger nicht zugunsten der Staats­kasse verein­nahmt werden konnten. (Dirk Buchsteiner)