Nun also doch: Die Kommission klagt auf saubere Luft
So, nun hat sie es also doch getan: Die Europäische Kommission hat die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil die Luftqualität in Deutschland zu schlecht ist. Das ist rechtswidrig, denn die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG gibt einen bestimmten Zustand der Luft vor. Und diesem Sollzustand entspricht die Luft insbesondere in einigen Städten nicht. Konkret enthält die Luft in einigen Ballungszentren – etwa auch in Berlin – zu viele Stickoxide, die sich negativ auf die Atemwege auswirken. Die Bundesregierung verhält sich also rechtswidrig.
Doch wie will nun die Kommission den Deutschen (und einigen anderen Mitgliedstaaten) Beine machen? Das Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg nach Art. 258 AEUV, das Vertragsverletzungsverfahren, ist technisch ein Feststellungsverfahren. Aber dass die Bundesrepublik nicht genug getan hat, um die Grenzwerte einzuhalten, ist bereits amtlich, und bisher hat sich die Bundesregierung auch erkennbar mehr Sorgen um die Mobilität der Autofahrer gemacht als um die Bronchien der Bürger. Eine reine Feststellung wird die Bundesregierung also kaum schrecken. Dass die Bundesregierung nun etwas tun muss, um endlich einen rechtskonformen Zustand herzustellen, weiß sie auch schon jetzt.
Doch ganz so zahnlos ist der EuGH nicht. Er kann nach Art. 260 Abs. 1 AEUV konkrete Maßnahmen vorgeben, die der Mitgliedstaat dann umzusetzen hat. Auf diesem Wege könnte das Fahrverbot für Diesel-PKW, das die Koalitionäre noch im Koalitionsvertrag vermeiden wollten, doch schneller kommen, als gedacht. Und der EuGH kann gem. Art. 260 Abs. 3 AUEV Gelder festsetzen, die Deutschland zu zahlen hat, wenn es sich nicht endlich bewegt. Damit die Mitgliedstaaten nicht etwa auf die Idee kommen, mittels solcher Zahlungen ihren Bürgern unerwünschte Konsequenzen des Gemeinschaftsrechts einfach zu ersparen, sind die Zahlungen außerordentlich hoch.
Was der EuGH aber nicht kann: Er kann nicht einfach selbst tätig werden. Es ist den Gemeinschaftsorganen versagt, das Szepter in die Hand zu nehmen, wenn die Mitgliedstaaten die Lage eskalieren lassen. Dass es soweit kommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Eher steht zu erwarten, dass die Bundesregierung das Verfahren eher als Aufschub betreibt, damit die ungeliebten Fahrverbote (setzt die Deutsche Umwelthilfe sich nicht doch auf dem Gerichtswege durch) nicht schon vor der Bayernwahl greifen.
Doch die Europäische Kommission versucht nicht nur, die Luftqualitätsnormen endlich durchzusetzen. Man ist in Brüssel auch nicht glücklich mit dem Umgang der Deutschen mit dem Dieselskandal. Konkret geht es um die Typengenehmigungen für einige Dieselfahrzeuge, nämlich den Porsche Cayenne, den Volkswagen Touareg und verschiedene Audi A6 und A7. Die Kommission erwartet konkrete Maßnahmen wie Rückrufe und ernsthafte Sanktionen. Deutschland muss sich nun etwas einfallen lassen, um den Verdacht auszuräumen, das Kraftfahrtbundesamt halte seine schützende Hand über die deutsche Autoindustrie und ihre schwergewichtigen Flaggschiffe. Für diese Überlegungen hat die Bundesrepublik zwei Monate Zeit. Es bleibt also spannend.