Zur „Bünde­lungs- und Verdrän­gungs­funktion“ der Fahrradstraße

Mannheim ist als Quadra­te­stadt bekannt, die von Kurfürst Carl Theodor ganz im Geiste von Absolu­tismus und Aufklärung nach Planqua­draten gebaut wurde. Was Fremden auf den ersten Blick eine höchst verwir­rende Kombi­nation von Buchstaben und Ziffern erscheint, erschließt sich nach kurzer Zeit als eine höhere Ordnung. Mannheimer müssen andernorts wohl große Schwie­rig­keiten haben, sich zurecht zu finden, denn so rational geht es sonst selten zu.

Radfahrersymbol auf Asphaltdecke

Natürlich gehen an Mannheim auch aktuelle Erfor­der­nisse der Planung nicht vorbei und so gibt es auch Ansätze, die Stadt fahrrad- und fußgän­ger­freund­licher zu gestalten. Unter anderem durch die Anordnung einer Fahrrad­straße. Als Detail­in­for­mation für alle Ortskun­digen: Es handelt sich um den Bereich von G3/H3 bis G7/H7.

Nun gab es einige Anwohner, die mit der Fahrrad­straße nicht einver­standen waren. Diese Anwohner klagten vor dem Verwal­tungs­ge­richt. Unter anderem, da sie „als Fußgänger“ der Auffassung waren, dass der zuneh­mende Fahrrad­verkehr eine Gefährdung für sie darstelle. Außerdem waren sie nicht einver­standen, dass durch die Fahrrad­straße Parkplätze für Kraft­fahr­zeuge wegge­fallen waren. Dabei blieb ihnen offenbar verschlossen, dass das auch für eine wesent­liche Verbrei­terung der Gehwege gesorgt hatte. Was den Verdacht bestätigt, dass gewisse „Fußgänger“, die sich ganz besonders oft und intensiv über die „Sicher­heits­ri­siken“ durch Fahrrad­fahrer beschweren, diese für gewöhnlich durch die Windschutz­scheibe ihrer Kraft­fahr­zeuge sehen.

Im Kern waren die Kläger jeden­falls der Auffassung, dass die Anordnung der Fahrrad­straße nicht durch eine quali­fi­zierte Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs gerecht­fertigt sei, wie sie laut § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO erfor­derlich ist. Das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Karlsruhe war anderer Auffassung. Denn aufgrund mehrerer Verkehrs­er­he­bungen war festge­stellt worden, dass der Radverkehr absolut und relativ zum Kfz-Verkehr stark zugenommen habe. Im Zusam­menhang mit der Enge der Fahrbahn und der Unüber­sicht­lichkeit des Umfelds würde dies vor Ort Situa­tionen mit sich bringen, die zu Gefähr­dungen insbe­sondere der Fahrrad­fahrer führten. Die allge­meinen Verkehrs­regeln seien nicht ausrei­chend, um diesen Gefahren zu begegnen.

In diesem Zusam­menhang bringt das VG in einem sogenannten „obiter dictum“, also ohne, dass es für die Begründung dieser Entscheidung relevant wäre, ein inter­es­santes Argument: Fahrrad­straßen hätten eine Bünde­lungs­wirkung für Radfah­rende und eine Verdrän­gungs­wirkung für Kraft­fahr­zeuge. Sie erfüllten dadurch eine „gefah­ren­ab­wehr­be­zogene Verkehrs­steue­rungs­funktion“. Dadurch würden sie nicht nur vor Ort, also in der Fahrrad­straße selbst, sondern auch in Neben- und Paral­lel­straßen Gefahren reduzieren.

Das ist ein begrü­ßens­werter Ansatz. Die Anordnung von Verkehrs­zeichen wird von der sehr begrenzten Perspektive auf bestimmte Gefahr­stellen befreit. Dadurch gerät eine gesamt­haftere Förderung von Verkehrs­si­cherheit durch übergrei­fende Verkehrs­kon­zepte in den Blick (Olaf Dilling).

 

2022-06-28T19:39:58+02:0028. Juni 2022|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Fahrrad­straße … nun aber richtig

Wie langwierig es sein kann, den Fahrrad­verkehr zu fördern, zeigt sich in Hannover an der dortigen, in Fachkreisen inzwi­schen berüch­tigten Fahrrad­straße. Immer wieder kam es hier zu Verfahren vor dem Verwal­tungs­ge­richt. Und immer wieder hat die Stadt Hannover nachge­steuert, um den Rechts­auf­fas­sungen des Gerichts nachzu­kommen. Wir hatten hier bereits mehrfach darüber berichtet.

Aktuell ist die Straße auch wieder in der Presse. Denn dort ist die Stadt einer Gerichts­ent­scheidung vom letzten Sommer nachge­kommen. Dies auf eine Weise, die so gar nicht dem entspricht, was der Kläger sich erhofft hatte. Denn die Stadt hat nun die Parkplätze gestrichen, durch die die Straße so verengt worden war, dem Kläger, übrigens im Berufs­alltag selbst Richter, war dagegen die Fahrrad­stra­ßen­re­gelung ein Dorn im Auge gewesen.

Nun, das Zusam­men­spiel zwischen Recht, Politik und Verwaltung ist oft komplex und eine gewonnene Schlacht kann, muss aber nicht kriegs­ent­scheidend sein. Trotzdem hätte in diesem Fall einem Juristen vielleicht klar sein können, dass sein Vorgehen äußerst zweischneidig ist. Denn das Problem der angegrif­fenen Verkehrs­re­gelung war im Wesent­lichen, dass sie inkon­se­quent war: Eine Fahrrad­straße müsse dem Radverkehr Verbes­se­rungen bringen, sonst ist sie unver­hält­nis­mäßig, weil sie zum Erreichen ihres Ziels schlicht nicht geeignet ist.

Nun der Vorwurf der Inkon­se­quenz mit Vorsicht zu genießen, denn es könnte sein, dass der solcher­maßen Angegriffene konse­quent unangenehm wird. So auch die Stadt Hannover, die von einem Autofahrer zur Konse­quenz angehalten, nun effektiv Politik für den Radverkehr macht. Das ist letztlich nur… nun, konse­quent (Olaf Dilling).

2022-02-08T00:10:14+01:008. Februar 2022|Verkehr|

Fahrrad­straßen müssen Verbes­se­rungen bringen

Frau auf Fahrrad im Stadtverkehr

Wir hatten schon vor einiger Zeit schon mal über eine Fahrrad­straße in Hannover berichtet. Wegen der Einrichtung der Fahrrad­straße durch die Stadt gibt es Streit mit einem Anwohner. Der Anwohner wollte und will weiterhin mit seinen Klagen erreichen, dass die Anordnung einer Fahrrad­straße zurück­ge­nommen wird.

Und tatsächlich stellt das Verwal­tungs­ge­richt Hannover immer wieder Fehler bei der Anordnung der Fahrrad­straße fest. Aller­dings mit Konse­quenzen, die mögli­cher­weise nicht im Sinne des Kläger sind. Aus Sicht des Gerichts sind die Fahrrad­straßen nicht konse­quent genug umgesetzt. Denn Fahrrad­straßen sind eigentlich Straßen, die exklusiv Fahrrad­fahrern vorbe­halten sein sollen. In Hannover wurden jedoch an den 23 dort ausge­wie­senen Fahrrad­straßen immer Zusatz­schilder angebracht, die auch Pkw erlauben, dort zu fahren und konse­quen­ter­weise auch dort zu parken.

Dadurch ist die Fahrbahn für die Fahrräder und die Möglich­keiten, die eine Fahrrad­straße regel­mäßig bieten soll, z.B. neben­ein­ander zu fahren, viel zu eng. Nach der ersten Entscheidung des VG Hannover musste die Verkehrs­re­gelung bereits angepasst werden: Es wurde eine Einbahn­stra­ßen­re­gelung einge­führt und die Parkplätze reduziert.

In dem neuen Verfahren ist das Gericht jedoch zur Überzeugung gekommen, dass die Straße immer noch zu eng ist, um Fahrrad­fahrern ausrei­chend Sicherheit zu bieten. Inbesondere ist es erfor­derlich, genug Abstand von den dort parkenden Autos zu halten, so dass die effektive Breite der Fahrbahn nicht ausreicht. Daher müssen die Parkplätze weiter reduziert werden und eine Anlie­ger­re­gelung für Kfz einge­führt werden. Denn die Regel sei, dass eine Fahrrad­straße nur dann zu recht­fer­tigen ist, wenn für die Radfahrer tatsächlich ein Gewinn an Sicherheit herausspringt.

Für Kommunen bedeutet das, dass Fahrrad­straßen ausrei­chend Platz für den Fahrrad­verkehr bieten müssen, um gerichtsfest geplant werden zu können. Für die Verbände bietet die Recht­spre­chung die Möglichkeit, bei lediglich „symbo­li­schen“ Verbes­se­rungen die Politik an ihren Verspre­chungen festzu­halten und auf tatsächlich sichere Fahrrad­straßen zu drängen (Olaf Dilling).

2021-08-25T22:34:14+02:0025. August 2021|Verkehr|