Pop-up-Radwege auf Dauer?

Gerichte sind bekanntlich unbere­chenbar: Nachdem die neuen Berliner Pop-up-Radwege noch vor einem Monat vom Verwal­tungs­ge­richt (VG) als rechts­widrig bezeichnet worden waren, sollen sie nach einem Beschluss des Oberver­wal­tungs­ge­richts nun „vorerst“ doch bleiben. Was nun also?

Um etwas Licht in das Dickicht des aktuellen urbanen Verkehrs­ge­schehens zu bringen, sind ein paar Unter­schei­dungen hilfreich:

#Bei den oben genannten Beschlüssen handelt es sich um Eilbe­schlüsse, die beide vorläufig sind: Eine endgültige Entscheidung erfolgt im Haupt­ver­fahren. Auch das Verwal­tungs­ge­richt hat nur entschieden, dass die Radwege nach vorläu­figer Einschätzung wahrscheinlich rechts­widrig seien. Das ist weder von der Presse­stelle des VG, noch von den meisten Zeitungen präzise genug darge­stellt worden.

#Beide Gerichte haben die ursprüng­liche Begründung der Pop-up-Radwege nicht akzep­tiert: Ein verstärkter Bedarf an Fahrrad­in­fra­struktur wegen Corona trägt als straßen­ver­kehrs­recht­liche Begründung der Verkehrs­re­gelung nicht. Daher hat die Senats­ver­waltung bei der Begründung der Radwege noch einmal nachgelegt: Sie seien auch aus Gründen der Verkehrs­si­cherheit notwendig.

#Diese allge­meinere Begründung, die nun vom OVG akzep­tiert wurde, trägt auch über die Zeit der Pandemie hinaus: Auch und gerade in Zeiten mit stärkerem Kfz-Verkehr ist ein Schutz schwä­cherer Verkehrs­teil­nehmer straßen­ver­kehrs­rechtlich notwendig und sinnvoll. Daher werden die Verkehrs­be­hörden – zumindest auf Basis eines Wahrschein­lich­keits­ur­teils – nun rechtlich darin bestärkt, Fahrstreifen für Kfz dem Radverkehr zuzuweisen.

#Wenn dies dauerhaft und nicht nur vorläufig erfolgen soll, wäre es aller­dings erfor­derlich, eine entspre­chende straßen­recht­liche Umwidmung vorzu­nehmen. Dadurch wird dann klarge­stellt, dass dieser Teil der Straße auf Dauer nicht mehr für Kfz, sondern nur noch für den Radverkehr zur Verfügung steht.

Für den Antrags­steller von der AfD ist die Sache insofern nach hinten losge­gangen. Denn nun dürfte auch für weitere mehrspurige Straßen rechts­sicher geklärt werden, dass und unter welchen Voraus­set­zungen eine Umwidmung oder temporäre Verkehrs­re­gelung zugunsten des Rad- oder Fußver­kehrs möglich ist. Zumal herrschte über eine Voraus­setzung unter den Gerichten immer Einigkeit: Dass es rechtlich grund­sätzlich zulässig ist, eine Kfz-Fahrspur für einen Radfahr­streifen zu opfern. Lediglich die Begründung hatte anfangs nicht überzeugt (Olaf Dilling).

2020-10-09T10:06:55+02:009. Oktober 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Eilrechts­schutz gegen Maskenpflicht

Zugegeben, richtig angenehm ist es nicht, im Alltag eine Maske zu tragen. Das gilt nicht nur für die echten medizi­ni­schen Schutz­masken, bei denen man durch ein Ventil atmet. Sondern auch für die hausge­machten Stoff­masken. Die Brille beschlägt, die Nase kribbelt, das Atmen fällt schwerer als sonst und wenn es warm ist, ist so eine Maske sogar schweißtreibend.

Wenn klar wäre, dass das Tragen einer solchen Maske nichts bringt, wie zu Anfang der Pandemie oft behauptet wurde, wäre es tatsächlich unzumutbar. Inzwi­schen gehen jedoch die meisten Virologen und anderen medizi­ni­schen Experten davon aus, dass ein begrenzter Schutz auch durch einfache Stoff­masken sicher­ge­stellt werden kann. Selbst wenn der Schutz für die Träger selbst gering sein sollte, gehen die Experten überwiegend davon aus, dass zumindest alle anderen durch das Tragen der Maske geschützt werden. Das ist durchaus plausibel, da beim Husten, Niesen, Gähnen und laut Sprechen Tröpfchen durch die Luft fliegen. Zumindest diese relativ großen Tröpfchen können durch eine Maske aufge­fangen werden. Dies ist sogar dann so, wenn die Masken keine absolute Sicherheit bieten, da sie zu grobma­schig sind, Viren zurück­zu­halten. Wenn alle Masken tragen, kann aber offenbar dennoch die Wahrschein­lichkeit verringert werden, dass jemand, der unerkannt krank ist, andere in der Öffent­lichkeit ansteckt.

Daher sind inzwi­schen in allen deutschen Bundes­ländern Verord­nungen in Kraft, die das Tragen von Masken in öffent­lichen Verkehrs­mitteln und oft auch beim Einkaufen gebieten. Zum Leidwesen vieler Menschen, die in der Masken­pflicht eine unzulässige Beschneidung ihrer Freiheit sehen. In den letzten Tagen haben sowohl in mehreren Bundes­ländern Verwal­tungs­ge­richte in Eilver­fahren über die Recht­mä­ßigkeit der Masken­pflicht entschieden. In allen Fällen war den Eilan­trägen kein Erfolg beschieden.

Sowohl das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Hamburg, das VG Gera, das VG Mainz, als auch das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Münster sind in ihren jewei­ligen Beschlüssen zur Auffassung gekommen, dass die Maßnahme grund­sätzlich geeignet sei, um dem Ziel des Infek­ti­ons­schutzes zu dienen. Nach dem Beschluss des OVG Münster, der bisher nur in der Presse­mit­teilung des Gerichts wieder­ge­geben wurde, sei es grund­sätzlich in  Ordnung, dass die Verordnung auf der Expertise des Robert-Koch-Instituts über die Wirksamkeit der Masken beruhe. Dass dabei abwei­chende Ansichten anderer Experten unberück­sichtigt bleiben, verletze nicht den Beurtei­lungs­spielraum der Verwaltung. Dies wäre lediglich der Fall, wenn die Entschei­dungs­grundlage bereits gesicherten entge­gen­ste­henden Tatsachen wider­sprechen würde. Die Maßnahme sei flankierend zu den inzwi­schen erfolgten Locke­rungen im Einzel­handel ergriffen worden. Sie stellt insofern schon ein milderes Mittel im Vergleich zu Ausgangs­be­schrän­kungen dar. Kinder bis zum Alter von 6 Jahren sowie Personen, die aus medizi­ni­schen Gründen keinen Mundschutz tragen können, seien in NRW zudem ausge­nommen, so dass auch besondere Härten berück­sichtigt worden seien (Olaf Dilling).

 

2020-05-04T18:23:24+02:004. Mai 2020|Verwaltungsrecht|

Zur Recht­mä­ßigkeit von Zweitwohnungsverboten

Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus stoßen generell auf viel Verständnis in der Bevöl­kerung. Die Bilder aus Italien, Spanien und inzwi­schen vermehrt auch aus den USA sind eine tägliche Mahnung, nicht auch in Deutschland so viele Menschen­leben aufs Spiel zu setzen.

Für den Rechts­staat sind die Maßnahmen dennoch eine Belas­tungs­probe. Denn aus verfas­sungs­recht­licher Sicht stellen sich durchaus berech­tigte Fragen nach den Geset­zes­grund­lagen und nach der Verhält­nis­mä­ßigkeit vieler Maßnahmen angesichts erheb­licher Grund­rechts­ein­griffe. Nach der ersten Schock­starre sind daher inzwi­schen auch etliche Eilan­träge bei den Verwal­tungs­ge­richten einge­gangen. Ein Teil davon betrifft das sogenannte Anrei­se­verbot auswär­tiger Zweit­woh­nungs­be­sitzer, das einige Bundes­länder, z.B. Schleswig-Holstein, Nieder­sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ausge­sprochen haben. Betroffen sind davon nicht ausschließlich Touristen, die Urlaub machen wollen, sondern reguläre Eigen­tümer einer Ferien- oder Teilzeitwohnung.

Unter den Verwal­tungs­ge­richten besteht Uneinigkeit, ob die Allge­mein­ver­fü­gungen oder Verord­nungen recht­mäßig sind, mit denen diese Verbote ausge­sprochen werden. Das Verwal­tungs­ge­richt Potsdam hatte am 31.03.2020 zunächst einem Eilantrag gegen eine Verfügung des Landkreises Ostpri­gnitz-Ruppin statt­ge­geben. Es sei nicht ersichtlich, dass das lokale Gesund­heits­system ohne eine entspre­chende Anordnung überlastet sei. Zudem sei auch der Zusam­menhang dieser Maßnahme mit dem Funktio­nieren des Gesund­heits­systems nicht aufge­zeigt worden.

Anders entschied dagegen wenige Tage später das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) in Schleswig-Holstein, ebenfalls im Eilver­fahren. Das OVG ist sowohl der Auffassung, dass die Maßnahme von der General­klausel des § 28 Abs. 1 Infek­ti­ons­schutz­gesetz (IfSG) gedeckt sei. Außerdem sei sie die Maßnahme auch erfor­derlich, denn die Kapazi­täten der Gesund­heits­ver­sorgung seien auf die Einwohner Nordfries­lands mit Erstwohnsitz ausgelegt. Des weiteren würde durch die Nutzung der Zweit­woh­nungen die Nachver­folgung der Anste­ckungs­pfade erschwert und der Ausbreitung der Krankheit Vorschub geleistet. Dies würde eine Einschränkung der Freizü­gigkeit recht­fer­tigen. Zudem verweist das Gericht auf die Ausnah­me­re­ge­lungen, nachdem zwingende, beispiels­weise gesund­heit­liche Gründe eine Nutzung der Wohnungen im Einzelfall recht­fer­tigen könnten (Olaf Dilling).

2020-04-06T19:37:49+02:006. April 2020|Allgemein, Verwaltungsrecht|