Was noch fehlt: Sofort­pro­gramme für Klima­schutz in Verkehr und Wärme

Das Thema Klima­schutz im Verkehr hat derzeit Konjunktur. Zu Recht, wenn man bedenkt, dass hier ähnliche Poten­tiale wie im Strom- und Wärme­be­reich schlummern, aber bisher kaum Schritte zur Reali­sierung unter­nommen werden. Die Quote der Nutzung von erneu­er­baren Energie­quellen ist im Verkehrs­sektor verglichen mit den beiden anderen Bereichen am schlech­testen. Gerade mal 6,8 % betrug sie 2022 und war gegenüber den vorhe­rigen beiden Jahren wegen des gerin­geren Verbrauchs von Biokraft­stoffen sogar noch gesunken.

Aktuell tritt die Verkehrs­po­litik auf der Stelle, denn an sich hatte sich die Ampel­ko­alition darauf geeinigt, dass Klima­schutz als Grund von Verkehrs­be­schrän­kungen rechtlich anerkannt werden soll. Dafür sollte das Straßen­ver­kehrs­gesetz (StVG) und die StVO angepasst werden. Vor dem Bundesrat fand die Reform des StVG keine Gnade, worüber wir bereits berich­teten. Insofern wäre jetzt der Vermitt­lungs­aus­schuss zwischen Bundesrat und Bundestag gefragt. Das feder­füh­rende Bundes­mi­nis­terium für Verkehr hat aber letzten Freitag offenbar die Einschätzung gegeben, dass das Gesetz politisch gescheitert ist und eine Vermittlung daher nicht sinnvoll sei.

Dabei wäre ein refor­miertes Straßen­ver­kehrs­recht, dass auch Klima­schutz als relevanten Belang berück­sichtigt, weiterhin dringend von Nöten. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts (OVG) Berlin-Brandenburg. Die Deutsche Umwelt­hilfe und der BUND hatten gemeinsam Klage erhoben, in der sie die Bundes­re­gierung zum Erlass eines Sofort­pro­gramms nach § 8 Klima­schutz­gesetz verpflichten wollten.

Das OVG hat den Klägern tatsächlich recht gegeben. Das ist zum einen deshalb spannend, weil das Klima­schutz­gesetz an sich gar keine Verbands­kla­ge­rechte beinhaltet. Offenbar hat das Gericht auf der Basis von Europa­recht, genau genommen der Aarhus-Konvention, dennoch eine Klage­be­fugnis herge­leitet.

Klima­po­li­tisch ist die Entscheidung zum Anderen relevant, weil das Gericht von der Regierung kurzfristig wirksame Maßnahmen verlangt, die zur Einhaltung der Klima­ziele führen. Was das für Maßnahmen sein könnten, geht aus der Presse­mit­teilung des Gerichts nicht hervor, aber die Deutsche Umwelt­hilfe hat bereits Beispiele gegeben: „ein sofor­tiges Tempo­limit, den Abbau klima­schäd­licher Subven­tionen und eine Sanie­rungs­of­fensive etwa für Schulen und Kinder­gärten“. (Olaf Dilling)

2023-12-05T16:12:48+01:005. Dezember 2023|Rechtsprechung, Umwelt, Verkehr, Wärme|

Verkehrs­si­cherheit ODER Klima­schutz“ – seriously?

Letzten Freitag sollte im Bundesrat über die geplante Reform von Straßen­ver­kehrs­gesetz und Straßen­ver­kehrs­ordnung abgestimmt werden. Leider kam, entgegen dem Votum des Fachaus­schusses, schon für die Änderung des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes als Grundlage der Reform keine Mehrheit zustande. Die Begründung dafür ist einiger­maßen verblüffend, denn es wurde unter­stellt, dass die Maßnahmen der Verkehrs­wende, die durch die Reform ermög­licht werden sollen, sich zuungunsten der Verkehrs­si­cherheit auswirken könnten.

Um zu verstehen, was passiert ist, ist es ausnahms­weise durchaus angezeigt sich mit einem politi­schen Modewort zu beschäf­tigen: Dem „Framing“. Gemeint ist ein sprach­licher Rahmen, der in einer politi­schen Debatte vorge­geben wird. Eine seit jeher beliebte diskursive Strategie ist es dabei, abwegige, unattraktive Alter­na­tiven zu konstru­ieren, um dann die eigene Lösung als allein selig­ma­chend darzu­stellen. Ein Beispiel für eine solche manipu­lative rheto­rische Strategie ist die Einteilung aller Mitmen­schen in aktive Unter­stützer oder Feinde, um indif­fe­rente Personen vor die Wahl zu stellen: Wer will sich gegenüber Anwesenden, denen man zuzuhören geneigt ist, schon als Feind outen? Also bleibt nur die Wahl, sie aktiv zu unter­stützen, oder nicht? Nun, selbst­ver­ständlich gibt es immer auch die Möglichkeit, sich neutral zu verhalten oder diffe­ren­zierend zu erwidern, dass man z.B. die Ziele einer politi­schen Unter­nehmung teilt, nicht aber deren Mittel. Logiker nennen dies auch eine „falsche Disjunktion“ und meinen damit einen Unterfall des Fehlschlusses. Was politische Akteure nicht davon abhält, sich dieser Strategie auf allen möglichen Politik­feldern ausgiebig zu bedienen.

Es ist also kaum verwun­derlich, dass es eine solches, offen­sichtlich falsches Dilemma aktuell auch in der Verkehrs­po­litik gibt: Seit langem fordern viele deutsche Kommunen partei­über­greifend, dass Länder und Kommunen mehr Spiel­räume im Straßen­ver­kehrs­recht brauchen, insbe­sondere bei der Ausweisung von Tempo 30-Zonen. Dies wurde im Koali­ti­ons­vertrag der Ampel aufge­griffen. Unter anderem sollten Beschrän­kungen des Verkehrs auch aus Gründen des Gesund­heits- und Umwelt­schutzes, insbe­sondere des Klima­schutzes möglich sein. Inzwi­schen hatte der Bundestag einen Geset­zes­entwurf für das StVG vorgelegt, dass die Regierung ermächtigt, die StVO entspre­chend zu überarbeiten.

Dass dies bei Verfechtern einer unein­ge­schränkten Automo­bi­lität Besorg­nisse erweckt, ist noch nachvoll­ziehbar. Daher haben inzwi­schen die unions­re­gierten Bundes­länder kalte Füße bekommen. Weniger nachvoll­ziehbar ist, dass sie nun die Verkehrs­si­cherheit ins Feld führen. Denn die Maßnahmen, die Umwelt- und Gesund­heits­schutz im Verkehr befördern, dienen eigentlich ausnahmslos auch der Verkehrs­si­cherheit. Wie gesagt, geht es zentral um die Möglichkeit, mehr 30er Tempo­limits auszu­weisen. Es ist bekannt, dass dies, insbe­sondere im Zusam­menhang mit einer Verste­tigung des Verkehrs­flusses sowohl dem Klima­schutz als auch der Verkehrs­si­cherheit dient. Die vermeint­liche Alter­native ist also gar keine.

Was ist also die Lösung? Wenn wir einen Rat geben könnten, dann wäre es einfach, die Rheto­riker beim Wort zu nehmen: Verkehrs­si­cherheit und insb. „Vision Zero“, also die Vermeidung von Toten und Schwer­ver­letzten, sollte möglichst prominent in das Straßen­ver­kehrs­gesetz und dann in die StVO aufge­nommen werden. Falls es dann doch zu unvor­her­ge­se­henen Konflikten mit dem Klima­schutz käme, fiele die Verkehrs­si­cherheit stark genug in die Waagschale. Selbst wenn sich die Länder im Bundesrat davon nicht überzeugen ließen, würde zumindest der Manipu­la­ti­ons­versuch deutlich, wenn es am Ende doch um freie Fahrt für Kraft­fahrer geht, nicht um die Sicherheit von Schul­kindern im Verkehr. (Olaf Dilling)

2023-11-27T13:50:54+01:0027. November 2023|Kommentar, Verkehr|

Fahrrad­straße darf Parkplätze kosten

In Berlin treiben – trotz des Gegen­winds der aktuellen großen Koalition auf Landes­ebene – viele Bezirke weiter den Bau von Fahrrad­wegen und ‑straßen voran. Dass das auch an Gerichts­ver­fahren nicht scheitern muss, zeigt aktuell ein Fall aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

Fahrradstraße in Berlin -Mitte

Fahrrad­straße in Berlin-Mitte (Fridolin freudenfett, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons)

In Friedenau, parallel zur Bundes­allee verläuft dort 1,5 km in Nord-Süd-Richtung die Handjery-Straße. Diese wird aufgrund eines Beschlusses der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung aus 2016 zur Fahrrad­straße umgewandelt, was den Wegfall von über 100 Parkplätzen zur Folge hat. Das wollten Anwohner nicht dulden und gingen im Rahmen des Eilrechts­schutzes gegen die Fahrrad­straße vor, die eigentlich kurz vor der Fertig­stellung steht.

Wie die Berliner Zeitung nun über das Verfahren (Akten­zeichen VG 11 L 338/23, VG 11 L 342/23) berichtet, gibt es ein inzwi­schen einen Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Berlin. Demnach wurden die Anträge auf vorläu­figen Rechts­schutz abgelehnt. Denn die Anordnung der Fahrrad­straße sei ausrei­chend auf einer Gefahrlage begründet worden. Diese ergäbe sich schon aus der hohen Zahl der Radfahrer, die bereits 2020, also vor Einrichtung der Fahrrad­straße den Straßenzug nutzen würden. Dagegen wird die Straße von Kfz weniger frequentiert. 

Aktuell ist der Straßen­quer­schnitt stark durch parkende Kfz einge­schränkt, so dass wenig mehr als die Mindest­breite für die Fahrbahn übrig bleibt und Sicher­heits­ab­stände nicht einge­halten werden können. Dementspre­chend gab es in der Straße auch relativ viele Unfälle, in die zum Teil auch Radfahrer verwi­ckelt waren. Daher ist das Gericht in seinem Beschluss davon ausge­gangen, dass die Ausweisung als Fahrrad­straße zwingend erfor­derlich sei. Die Anwohner hätten dagegen keinen Rechts­an­spruch darauf, in unmit­tel­barer Nähe  ihrer Wohnung zu parken. Dies stimmt mit der Recht­spre­chung zum Parken im öffent­lichen Raum überein. (Olaf Dilling)

2023-11-22T16:31:31+01:0022. November 2023|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|