Reisen bildet bekanntlich. Aktuell bin ich auf dem 3rd European Forum on City Centers, das dieses Jahr von der Metropole du Grand Paris gehosted wird. Zugleich ist das für mich eine willkommene Gelegenheit zu sehen, was für Fortschritte die fahrrad- und fußgängerfreundliche Politik der Bürgermeisterin Anne Hidalgo seit meinem letzten Besuch vor ein paar Jahren gemacht hat. Und tatsächlich: Es ist keine schwierige Aufgabe mehr, Fotos von Radwegen an prominenten Orten zu machen, auf denen es von „Velos“ nur so wimmelt. Die Pariser haben trotz einiger Proteste die Verkehrswende inzwischen gut angenommen.

Wenn man selbst vor Ort ist, fallen einem auch noch Sachen auf, die ich in der Presse oder in den sozialen Netzwerken noch nicht zu Gesicht bekommen habe. In Paris waren es diesmal die vielen „Schülerlotsen“. Die stehen mit neongelben Warnwesten an fast jedem Zebrastreifen, in dessen Nähe sich eine Schule befindet. Wenn sie nichts besseres zu tun haben, helfen sie auch schon mal einem ortsfremden Mann mittleren Alters über den Boulevard Saint-Germain.

Gibt es eigentlich auch in Deutschland noch Schülerlotsen? Seit meiner Schulzeit in den 1970er Jahren kann ich mich nicht erinnern, welche gesehen zu haben. Heute ist die Aufgabe vermutlich auch ungleich schwerer. Der Ton im Verkehr hat sich verschärft und manche Autofahrer werden schnell aggressiv, wenn sie auf Fußgänger oder Radfahrer warten sollen. Insofern sollte man gut überlegen, wo welche Lotsen als Verwaltungshelfer eingesetzt werden. 13-jährige Schüler und Schülerinnen sind sicher nicht überall geeignet. Die Schülerlotsen und ‑lotsinnen in Paris waren übrigens auch alle schon volljährig.

Gerade auf großen Kreuzungen in Berlin täte mehr Verkehrsregelung dringend Not: Viele Kreuzungen in Tempelhof, Neukölln, Kreuzberg und Friedrichshain rund um die A100 sind seit der Eröffnung des neusten Abschnitts bis Treptower Park kaum mehr passierbar. Das gilt für Kfz und Linienbusse, ebenso wie für Fußgänger und Radfahrer. Das Problem ist, dass aufgrund des dauerhaften Staus an den Flaschenhälsen viele Autofahrer auf die Kreuzung fahren, auch wenn diese nicht frei sind. Dadurch blockieren sich Fahrzeuge aller Richtungen gegenseitig. Gridlock nennt man diese Art von potenziertem Stau auf Englisch oder auf Deutsch: Verkehrsinfarkt.
Die Senatsverwaltung in Berlin scheint dagegen aktuell nichts zu tun. Jedenfalls dauern die unhaltbaren Zustände, die nicht nur den Autoverkehr, sondern auch den Umweltverbund lahmlegen, weiter an. Vielleicht soll genug Druck aufgebaut werden, um Maßnahmen durchzusetzen, die die Berliner CDU ohnehin plant, wie der Rückbau eines Radfahrstreifens über die Elsenbrücke und seine Umwandlung in eine Kfz-Spur. Dies lässt sich aber aus baustatischen Gründen aber nicht so schnell umsetzen. Ohnehin ist es fraglich, ob es wirklich Abhilfe schafft oder den Stau nur etwas verlagern würde. Langfristig dürfte sich die Strategie nicht auszahlen, Verkehrschaos dadurch zu bekämpfen, dass ausgerechnet raumeffiziente Alternativen, wie der Rad- und Fußverkehr in ihrer Infrastruktur beschnitten werden.
Um den Gridlock aufzulösen und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, wäre es aber sinnvoll, die Kreuzungen und Rad von wartenden Fahrzeugen frei zu halten. Dafür könnten Polizisten oder Verwaltungshelfer sorgen, die darauf achten, dass die Haltelinie nur von Fahrzeugen überfahren wird, die hinter der Kreuzung genug Platz haben. Wenn es sich dort auf einer Fahrspur staut, dürfen Autofahrer trotz des grünen Signals nicht losfahren. Klassische Schülerlotsen wären von dieser Aufgabe überfordert. Sie haben als Verwaltungshelfer auch keine eigenen hoheitlichen Kompetenzen, können also nicht eigenmächtig das Ampelsignal aufheben oder modifizieren.
Trotzdem spräche grundsätzlich nichts dagegen auch in Deutschland Erwachsene, die eine Ausbildung als Verwaltungshelfer genossen haben, auf der Straße einzusetzen. Aktuell gibt es dies im Bereich der Großtransporte. Hier darf die zuständige Landesbehörde einem beliehenen Unternehmen nach § 2 Abs. 1 der neuen Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung (StTbV) Anordnungsbefugnisse übertragen. Ähnliches ginge auch allgemein im Straßenverkehr, wenn dafür auf Bundesebene eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen würde. Solange das nicht der Fall ist, müssten weiterhin Polizisten an den Ampelkreuzungen den Verkehr regeln. (Olaf Dilling)
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