Der Windpark Alpha Ventus gilt als Meilen­stein in der Geschichte der deutschen Energie­wende. Er war der erste Offshore-Windpark Deutsch­lands und diente als techno­lo­gische und wissen­schaft­liche Testplattform für die Nutzung von Windenergie auf hoher See. Mit seiner Inbetrieb­nahme begann ein neues Kapitel in der Entwicklung erneu­er­barer Energien.

Alpha Ventus liegt rund 45 Kilometer nördlich der Insel Borkum in der Nordsee, auf dem sogenannten „Borkum-Cluster“. Der Standort befindet sich in einer Wasser­tiefe von etwa 30 Metern, was die Errichtung der Anlagen zu einer ingenieur­tech­ni­schen Heraus­for­derung machte. Der Windpark besteht aus zwölf Windener­gie­an­lagen mit einer Gesamt­leistung von 60 Megawatt (MW). Errichtet wurden zwei unter­schied­liche Anlagen­typen: 6 Multibrid M5000-Anlagen (5 MW je Turbine) von Areva/REpower und 6 Adwen/AREVA-Anlagen von Senvion (ehemals REpower). Die Funda­mente wurden als Tripod-Konstruk­tionen im Meeres­boden verankert – eine damals neuartige Technik für Offshore-Projekte in dieser Tiefe.

Der Bau begann im Jahr 2008 unter Leitung der Projekt­ge­sell­schaft Deutsche Offshore-Testfeld und Infra­struktur GmbH & Co. KG (DOTI), einem Konsortium der Energie­un­ter­nehmen EWE, E.ON und Vattenfall. Die Bauphase war von schwie­rigen Wetter­be­din­gungen und logis­ti­schen Heraus­for­de­rungen geprägt. Trotzdem wurde das Projekt erfolg­reich abgeschlossen – und diente anschließend als Blaupause für viele weitere Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee. Im Jahr 2010 ging Alpha Ventus vollständig ans Netz und speiste erstmals Strom in das deutsche Übertra­gungsnetz ein.

Alpha Ventus war nicht nur ein Energie­projekt, sondern auch ein groß angelegtes Forschungsfeld. Im Rahmen des RAVE-Programms (Research at Alpha Ventus) wurden zahlreiche wissen­schaft­liche Unter­su­chungen durch­ge­führt – etwa zu Wind- und Wellen­ver­hält­nissen, Materi­al­be­lastung und Korrosion, Auswir­kungen auf Meeres­tiere, Vögel und Ökosysteme, Betriebs­si­cherheit und Wartung in Offshore-Umgebungen. Die dabei gewon­nenen Erkennt­nisse trugen maßgeblich dazu bei, die Technik und Wirtschaft­lichkeit späterer Offshore-Projekte zu verbessern.

Mit einer jährlichen Strom­pro­duktion von rund 250 Gigawatt­stunden (GWh) kann Alpha Ventus rechne­risch etwa 70.000 Haushalte mit klima­freund­lichem Strom versorgen. Dadurch werden jährlich rund 220.000 Tonnen CO₂ im Vergleich zu fossilen Energie­quellen einge­spart. Trotz hoher Kosten und techni­scher Risiken legte das Projekt den Grund­stein für eine ganze Industrie.

Das Betrei­ber­kon­sortium (EWE, RWE und Vattenfall) hat im Mai 2025 beschlossen, den 60 MW-Windpark nicht weiter in seiner bishe­rigen Form zu betreiben, sondern auf eine Rückbau-Lösung hinzuarbeiten.Mit dem Programm RAVE („Research at Alpha Ventus“) wird bereits intensiv an Forschung zu diesem End-of-Life-Prozess gearbeitet – das Projekt dient damit nicht nur dem Rückbau, sondern als Lernfeld für die gesamte Branche

(Christian Dümke)