Die Idee, neue Gaskraftwerke zu bauen, ist ja nicht neu. Schon die Ampelregierung wollte kurzfristig Förderungen für fünf Gigawatt (GW) Gaskraftwerke für die Versorgungssicherheit sowie weitere sieben GW H2-ready Gaskraftwerke ausschreiben. Dies hatte das Wirtschaftsministerium unter Habeck mit der Europäischen Kommission verhandelt. Der Plan scheiterte jedoch an der damaligen Opposition: Die CDU war überzeugt, eine bessere Kraftwerksstrategie aufsetzen zu können. Ein KWSG wurde noch konsultiert, aber nicht mehr beschlossen.
Schnell wurde deutlich, dass das neue Wirtschaftsministerium unter Reiche deutlich mehr Kapazitäten ausschreiben will. Statt zwölf GW sollen bis 2030 nun 20 GW Gaskraftwerksleistung gebaut werden. Es soll dabei nicht nur um Versorgungssicherheit gehen, sondern auch um eine Dämpfung der Preise durch eine Vergrößerung des Angebots. Außerdem will die aktuelle Bundesregierung keine zwingende Umstellung auf Wasserstoff zur Voraussetzung der Förderung machen. Darüber hinaus sollen nicht nur die netztechnisch sinnvollen Standorte im Süden besonders gefördert werden, sondern auch solche im Osten.
Ging die neue Bundesregierung zu Beginn noch recht optimistisch davon aus, dass die Ausschreibungen noch im laufenden Jahr starten könnten, hakte es schnell in Brüssel. Denn Beihilfen unterliegen der Kontrolle durch die Europäische Kommission – und diese sieht die Pläne offenbar kritisch. Nun hat die Deutsche Umwelthilfe die Kanzlei K & L Gates damit beauftragt, zu prüfen, ob die Kommission sich zu Recht querstellt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es wohl schwierig werden dürfte, sich hier gegen die Kommission durchzusetzen.
Eine Beihilfe sei nur genehmigungsfähig, wenn die Förderung aufgrund eines Marktversagens erforderlich sei und wenn sie geeignet, technologieoffen, angemessen und transparent ausgestaltet werde. In dieser Hinsicht zeigen sich die Gutachter skeptisch. Ein nationales Marktversagen liege schon dann nicht vor, wenn andere europäische Mitgliedstaaten über ausreichende Überkapazitäten verfügten. Zudem sei der Plan des Wirtschaftsministeriums nicht technologieoffen genug. Es sei nämlich nicht belegt, dass die zusätzliche Leistung ausschließlich durch Gaskraftwerke aufgebracht werden könne; Großbatterien, Speicher und andere Formen der Flexibilisierung seien nicht ausreichend geprüft worden. Die Gutachter sehen entsprechend keine evident stichhaltigen Gründe dafür, dass ausgerechnet Gas eingesetzt werden müsse. In Hinblick auf das Verfahren sei zudem problematisch, dass das Ministerium offenbar konkrete standortbezogene Zusagen formuliert, statt die Kapazitäten wettbewerblich und transparent auszuschreiben. Generell zeigen sich die Gutachter nicht überzeugt, dass durch eine so große Zahl neuer Kraftwerke keine übermäßigen negativen Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel in der EU entstehen würden.
Diese Argumente sind alles andere als an den Haaren herbeigezogen. Die Beihilfenprüfung dient dem Schutz des europäischen Wettbewerbs und soll nationale Alleingänge zur Förderung heimischer Unternehmen gerade verhindern. Der Aufbau von Erzeugungskapazitäten, der durch großzügige Förderung Anbieter aus Deutschlands Nachbarländern aus dem Markt drängen könnte, ist daher problematisch. Auch die anderen Bedenken erscheinen logisch. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Kommission die geänderten Pläne der neuen Bundesregierung so noch durchwinkt. Mindestens eine lange Auseinandersetzung und eine erhebliche Anpassung der Strategie werden wohl erforderlich sein, um überhaupt ausschreiben zu können.
Dieses mögliche Scheitern des Plans betrifft viele Akteure. Für die Betreiber geplanter Anlagen ist der verspätete Start Gift. Denn wegen der absehbaren Minderung des Erdgaseinsatzes mit dem Ziel null in 2045 ist das Zeitfenster, in dem mit diesen Kraftwerken Gewinne erzielt werden können, kurz und nicht beliebig nach hinten verlängerbar, wenn die Kraftwerke nicht – wie ursprünglich von der Ampel vorgesehen – auf Wasserstoff umgerüstet werden. Für diejenigen, die Batteriespeicher errichten, könnte die Investition zumindest teilweise entwertet werden, wenn der Staat durch subventionierte Anlagen die Marktparameter im Bereich der Systemdienstleistungen verschiebt. Und klar ist: Sollte es so kommen, wären die Letztverbraucher die großen Verlierer – die Netzstabilitätsmaßnahmen kämen riskant spät, und die Kapazitäten, die keiner braucht, müssten trotzdem finanziert werden (Miriam Vollmer).
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