Die Story selbst ist simpel: Die Bundeswehr wollte auf der Netzkon­ferenz re:publica einen Stand, um um Mitar­beiter zu werben. Die Veran­stalter wollten das nicht, insbe­sondere keine Bundes­wehr­uni­formen auf dem Gelände der Konferenz. Deswegen lehnten sie die Anfrage nach einem Stand ab.

Als ich am Mittwoch morgen zum Konfe­renz­ge­lände kam, standen ein Plakat­wagen und drei unifor­mierte Soldaten vorm Eingang und verteilten Zettel, auf denen sie sich über die Veran­stalter beschwerten. Wenig später gab die Bundeswehr ein Statement ab, in dem sie die Stand­absage als Provo­kation bezeichnete. Darauf fühlten sich viele Nutzer auf facebook provo­ziert, teilweise rüdeste Beschimp­fungen, teilweise schlechte Bewer­tungen der re:publica auf facebook abzugeben, gegen die die Bundeswehr nicht einschritt oder die Aufge­regten zumindest etwas mäßigte. Parallel äußerten sich konser­vative Politiker in ähnlicher Weise wie die Bundeswehr selbst.*

Die Urheber der Kampagne der Bundeswehr halten die Aktion vermutlich für einen vollen Erfolg. Das eigene Klientel hat sich immerhin breit solida­ri­siert. Aber war die Aktion überhaupt rechtmäßig?

Fest steht: Die Veran­stalter der re:publica haben sich nichts vorzu­werfen. Dieje­nigen, die Meinungs­freiheit und Gleich­be­handlung der Bundeswehr mit anderen Minis­terien oder Insti­tu­tionen einfordern, übersehen, dass diese schon nicht Grund­rechts­trä­gerin sein kann. Der Staat ist Adressat von Grund­rechten, aber er selbst kann sich nicht auf Grund­rechte berufen (vgl. nur BVerfGE 128, 226). Pointiert gesagt: Die Bundeswehr hat gar keine Grund­rechte. Und die re:publica ist eine private Veran­staltung, egal, ob sie auch öffent­liche Förder­gelder bekommt. Die privaten und deswegen nicht unmit­telbar an Grund­rechte gebun­denen Veran­stalter durften also sowieso nach Belieben ihre Stände vergeben.

Aber wie sieht es mit der Aktion der Bundeswehr aus? Die Bundeswehr ist Hoheits­träger und damit alles andere als frei, wie sie agiert. Zwar liegt hier klar erkennbar kein „Einsatz im Inneren“ nach Art. 87a GG vor. Aber war die Bundeswehr berechtigt, sich auf diese Weise öffentlich über eine recht­mäßige Maßnahme einer privaten Veran­stal­terin zu beschweren? War sie auch berechtigt, durch ein öffent­liches Statement einen „Shitstorm“ herauf­zu­be­schwören, der angesichts der Dynamiken im Netz kaum unerwartet kam?

Die ihr schon als Annex ihrer Aufga­ben­er­füllung zuste­hende Befugnis, um Mitar­beiter zu werben, scheidet als Grundlage ihres Verhaltens dieser Stelle aus. Denn als sie sich über die re:publica beschwerte, warb sie ja nicht um Mitar­beiter. Ihre Äußerungen sind vielmehr als Teil ihrer allge­meinen Öffent­lich­keits­arbeit zu verstehen.

Zur Öffent­lich­keits­arbeit ist die Exekutive grund­sätzlich befugt. Sie bedarf – das BVerwG hat dies einmal für die Bundes­re­gierung klarge­stellt (BVerwGE 72, 76) – auch keiner expli­ziten gesetz­lichen Grundlage, weil sich dieser Auftrag aus der Verfassung selbst ergibt. Aber ebenso ergibt sich aus dem Grund­gesetz selbst, dass die Verwaltung nur im Rahmen ihrer Aufgaben tätig wird. Das BVerfG hat 2002 einmal hierzu ausge­führt (BVerfGE 105, 202, Rz. 49):

Können Aufgaben der Regierung oder der Verwaltung mittels öffent­licher Infor­ma­tionen wahrge­nommen werden, liegt in der Aufga­ben­zu­weisung grund­sätzlich auch eine Ermäch­tigung zum Informationshandeln.“

Im Umkehr­schluss bedeutet das: Ist etwas keine Aufgabe der Verwaltung, dann ist sie auch nicht befugt. Zudem unter­liegt sie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.

Ob dies hier der Fall war, ist ausge­sprochen zweifelhaft. Welche Aufgabe soll das sein, die die Bundeswehr erfüllt, wenn sie sich öffentlich beschwert, dass ein privater Veran­stalter ihr keinen Stand vermietet? Und kann die Kampagne insgesamt verhält­nis­mäßig, also geeignet, erfor­derlich und angemessen zur Errei­chung eines legitimen Zwecks, sein? Was war überhaupt der Zweck? Abstrafen für eine unwill­kommene Entscheidung dürfte kein legitimer Zweck sein. Druck, um im nächsten Jahr einen Stand zu bekommen, ist sicherlich auch kein legitimer Zweck, bedenkt man, dass die re:publica frei ist, zu kontra­hieren mit wem sie will. Doch wie auch immer der Zweck ausge­sehen haben mag, den die Bundeswehr verfolgte: Es fällt mir schwer, es als erfor­derlich, also als mildestes Mittel, anzusehen, Äußerungen zu publi­zieren, von denen ein Social Media Team weiß oder in diesen Zeiten wissen muss, dass es einen Shitstorm provoziert.

Ein hoheitlich provo­zierter Shitstorm gegenüber einem recht­mäßig handelnden Unter­nehmen kann nicht verhält­nis­mäßig sein.

*Detail­liert und lesenswert u. a. beim Veran­stalter selbst, bei Thomas Knüwer, Thomas Wiegold und Sascha Stoltenow.