Wenn Sie in der Energie­wirt­schaft arbeiten, können Sie für heute die Seite wieder schließen: Unter „Grundkurs Energie“ werde ich in lockerer Reihe auf Fragen eingehen, die zum größten Teil von meinen Studenten an der Uni Bielefeld stammen, wo ich als Lehrbe­auf­tragte Jurastu­denten im Wahlschwer­punkt Umwelt­recht eine „Einführung in das Energie­recht“ vermittele. Es geht also um Basics. 

Strom wäre zu teuer, behaupten nicht nur Kommen­ta­toren im Internet und machen den Ausbau der Erneu­er­baren Energien für den hohen Strom­preis verant­wortlich. Selbst manche Politiker setzen sich vor diesem Hinter­grund dafür ein, das Erneu­erbare-Energien-Gesetz (EEG) ersatzlos abzuschaffen. Auch meine Biele­felder Studenten waren mehrheitlich der Ansicht, dass es das EEG sein müsste, das den Strom verteuert.

Damit verbunden ist oft die Vorstellung, der Strom­ver­braucher würde nach einer Abschaffung des EEG die Umlage in Höhe von derzeit 6,792 Cent/kWh Strom, die der Verbraucher auf seiner Strom­rechnung findet, einfach nicht mehr zahlen müssen, während ansonsten alles beim Alten bliebe. Bei einem Jahres­ver­brauch von ungefähr 4.000 kWh für eine vierköpfige Familie kämen bei einem ersatz­losen Wegfall der EEG-Umlage so schnell dreistellige Beträge zusammen. Doch die Realität sieht anders aus.

Tatsächlich bildet sich der Strom­preis anhand der sogenannten Merit-Order-Kurve. Unter diesem Begriff versteckt sich ein deutlich kompli­zier­teres Preis­modell als bei anderen Waren, die mit den Beson­der­heiten des Produkts Strom und seiner Erzeugung zu tun haben. Während es bei anderen Produkten auf regio­nalen Märkten eine Vielzahl von Anbietern und Abnehmern für meist ganz unter­schied­liche Produkte gibt, läuft die Preis­bildung für Strom über die Börse. Es bildet sich damit ein einheit­licher Preis.

Dieser Preis entsteht dadurch, dass die zu jedem Zeitpunkt bestehende Nachfrage durch Strom aus Kraft­werken gedeckt wird, die zu unter­schiedlich hohen Kosten produ­zieren. Das liegt zum einen an unter­schiedlich hohen Brenn­stoff­kosten. Zum anderen sind abgeschriebene Kraft­werke günstiger als neue, deren Betreiber noch Finan­zie­rungs­kosten tragen. Es ist deswegen ökono­misch nur logisch, dass die Nachfrage nach Strom zunächst durch das Kraftwerk gedeckt wird, das am günstigsten produziert.

Nach und nach werden so immer weitere Kraft­werke angefahren, bis die Nachfrage nach Strom gedeckt ist. Natürlich wird dabei immer auf das jeweils nächst­günstige Kraftwerk zurück­ge­griffen. Wegen der unter­schied­lichen Kosten­struk­turen fahren so erst Kernkraft­werke an, dann Kraft­werke, die Braun­kohle verstromen, dann Stein­ko­hel­kraft­werke, sodann kommt Erdgas zum Einsatz. Das Schluss­licht bildet Heizöl. Irgendwann ist die Nachfrage gedeckt. Das zuletzt aufge­rufene Kraftwerk setzt dann den einheit­lichen Preis. 

Doch was hat dies nun mit dem EEG zu tun? Tatsächlich verändert der EEG-Strom die Merit-Order-Kurve. Denn für Strom aus Erneu­er­baren Energien gilt der sogenannte Einspei­se­vorrang nach § 11 Abs. 1 EEG 2017. Dieser Strom muss also grund­sätzlich immer erst abgenommen werden. Er steht damit außerhalb des für Strom ansonsten geltenden Preis­bil­dungs­mo­dells. Mit anderen Worten: Bevor das günstigste Kraftwerk angefahren wird, ist der EEG-Strom schon da. Die Merit-Order-Kurve bleibt also gleich, verschiebt sich aber deutlich nach rechts, da die Nachfrage nach Strom durch die Menge an Erneu­er­baren Energien schließlich nicht verändert wird. Es ist nunmehr nur ein anderes, günsti­geres Kraftwerk preis­bildend. Mit andere Worten: Die letzte gekaufte kWh stammt nun aus einem Kraftwerk, das ohne das EEG keineswegs das letzte, aufge­rufene Kraftwerk wäre. Der Großhan­dels­preis für Strom wird also durch das EEG günstiger. Viel EEG-Strom im Netz – etwa bei Wind und Sonnen­schein – führt also erst einmal zu einer Senkung des Strompreises.

Doch natürlich wird auch EEG-Strom vergütet. Hier gilt teilweise eine Festver­gütung durch den abnah­me­ver­pflich­teten Netzbe­treiber, teilweise wird der Strom direkt­ver­marktet und über Markt­prämien gefördert. Diese Kosten werden über die EEG-Umlage gedeckt. Diese trägt die Differenz zwischen dem Markt­preis und dem, was für EEG-Strom fließt. Daraus ergibt sich: Ist viel EEG-Strom im Netz, sinkt der Großhan­dels­preis. Dadurch steigt die Differenz zur EEG-Vergütung, die über die Umlage finan­ziert wird. Im Ergebnis sieht der Verbraucher einen geringen Preis für Strom auf seiner Rechnung und eine hohe EEG-Umlage. Was er nicht sieht: Strom­preis und Umlage bedingen einander. Das aber bedeutet, dass bei Wegfall des EEG, Wegfall des Einspei­se­vor­rangs und damit auch dem Wegfall der Umlage­fi­nan­zierung der Verbraucher eben nicht den Preis zahlen würde, der heute als eigent­licher Strom­preis ohne Umlagen auf seiner Rechnung steht. Sondern mehr. Über genaue Zahlen streiten die Gelehrten. Eine Unter­su­chung von Dillig/Jung/Karl aus 2016 bezogen auf die Jahre 2011 bis 2013 spricht ausgehend vom Jahr 2013 davon, dass einer EEG-Umlage von 20,4 Mrd. EUR börsliche Preis­sen­kungen von 31,6 Mrd EUR gegenüber gestanden hätten.

Sie haben auch eine Frage nach Grund­lagen des Energie­rechts, auf die ich in dieser Reihe eingehen könnte? Dann schreiben Sie mir